Spiel um Sieg und Liebe
kämpfte gegen das Schwächegefühl an. Sie hatte schlecht gespielt, das wusste sie. Sie hatte sich von ihrer Gegnerin ein Spiel aufzwingen lassen, das ihr nicht lag. Hatte Stacie Kingston erlaubt, das Tempo zu diktieren. Noch nicht einmal sechs Minuten waren von ihrem ersten Aufschlag bis zum Spielverlust vergangen. Nein, so einfach durfte sie sich nicht geschlagen geben!
Langsam ging Amy zurück zur Grundlinie und erwartete den Aufschlag ihrer Gegnerin. Diesmal würde sie das Spiel machen. Keiner sollte sagen können, dass sie nicht mehr gut genug als Profispielerin sei.
Sie retournierte den Aufschlag von Stacie Kingston so platziert, dass diese nicht mehr an den Ball kam. Die Zuschauer applaudierten, und der Balljunge jagte über den Platz.
»Null : fünfzehn.« Amy hörte die Ansage des Schiedsrichters und wusste, dass sie jetzt auf dem richtigen Weg war. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren und durfte sich nicht noch einmal so überfahren lassen wie im ersten Spiel.
Amy gelang es, ihre Gegnerin zum Netz zu zwingen und damit ihre Schwäche zu offenbaren. Die Zuschauer waren jetzt voll auf ihrer Seite. Keiner dachte mehr daran, dass Amys erstes Spiel nach so langer Pause misslingen könnte.
Die Geräusche aus dem Publikum, die Anfeuerungsrufe und das Klatschen rauschten nur an Amys Ohren vorbei. Sie war voll auf das Spiel konzentriert und nur damit beschäftigt, ihrer Gegnerin keine Chance zu lassen. Der Ballwechsel endete mit einem Volley von Amy, der knapp vor der Grundlinie aufschlug.
Der Sieg war in greifbare Nähe gerückt. Ruhig ging sie zurück auf ihre Position. Ihr Gesicht war jetzt schweißnass, und das Tennishemd klebte an ihrem Körper. Automatisch wischte sie mit dem Schweißband an ihrem Handgelenk über ihr Gesicht, nahm den Schläger in beide Hände, beugte sich etwas vor und erwartete den Aufschlag von Stacie Kingston.
Nach zweiunddreißig Minuten Spielzeit spürte Amy den Schweiß an ihrem Körper entlanglaufen, aber es machte ihr nichts aus. Sie hatte den ersten Satz mit sechs zu drei gewonnen.
Wieder einmal spürte sie, dass nichts so sehr Auftrieb gab wie der Erfolg. Ob Tad wohl unter den Zuschauern war, schoss es Amy durch den Kopf. Aber auch das spielte jetzt keine Rolle, sie wollte gewinnen, nichts anderes war wichtig.
Als Stacie Kingston den Aufschlag flach zurückbrachte, erwischte Amy den Ball mit der Rückhand und schlug ihn knapp über die Netzkante. Sie sah die Reaktion ihrer Gegnerin früh genug, spurtete zum Netz und brachte den Ball mit einem kraftvollen »Lob« zurück.
Die Sportjournalisten würden in ihren Artikeln wohl schreiben, dass Amy das Spiel in dem Moment gewonnen hatte, als die beiden Gegnerinnen sich Auge in Auge am Netz gegenüberstanden. Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil, aber tatsächlich diktierte Amy danach das Spiel nach Belieben. Wenn sie wirklich einmal einen Punkt abgab, dann heimste sie dafür die beiden nächsten ein. Die aggressive, kaltblütige Amy Wolfe war wieder da, und jede Gegnerin in der internationalen Tennisszene tat gut daran, sich darauf einzustellen.
Wo Tad Starbuck sein ganzes Temperament in die Waagschale warf, war sie kühl und beherrscht. Nicht ein Mal hatte Amy im Laufe ihrer Karriere die Kontrolle über sich verloren. Die Sportreporter hatten damals schon Wetten darüber abgeschlossen, ob sie das noch einmal erleben würden oder nicht.
Nur zweimal während des ganzen Spiels fiel es ihr wirklich schwer, Ruhe zu bewahren. Einmal wurde ein Ball »Aus« gegeben, den sie noch im Feld gesehen hatte, und beim zweiten Mal ärgerte sie sich darüber, dass sie einen Ball völlig falsch eingeschätzt hatte. Beide Male hatte sie ihren Schläger genommen, scheinbar ruhig die Saiten wieder zurechtgeschoben, und als sie dann wieder an der Grundlinie stand, hätte keiner ihr den gerade nur mühsam unterdrückten Zorn ansehen können.
Amy gewann das Match mit sechs zu drei, sechs zu zwei nach einer Stunde und neunundvierzig Minuten. Zweimal hatte sie ihrer Gegnerin den Aufschlag abgenommen, und im zweiten Satz hatte sie drei Asse geschlagen. Amy hatte es geschafft!
Madge legte ihr ein Handtuch um die Schultern, als sie sich auf ihren Stuhl am Spielfeldrand fallen ließ. »Amy, du warst fantastisch.« Amy gab keine Antwort, bedeckte ihr schweißnasses Gesicht mit dem Handtuch. »Du warst besser als früher.«
»Sie wollte gewinnen«, murmelte Amy und nahm das Handtuch vom Gesicht. »Aber ich wusste, dass ich gewinnen musste.«
»Das
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