Spiel ums Glueck
Landschaft. Vorsichtig stellte er es auf der Staffelei neben dem Pult ab, damit alle Kunstliebhaber es sehen konnten.
Richard verharrte bei einer Säule, von wo aus er das präsentierte Gemälde gut im Blick hatte. Er verschränkte die Arme vor der Brust, zog sich den Hut schräg ins Gesicht und lehnte sich nonchalant gegen die Wand, ging er doch davon aus, dass „Die Wahrsagerin“ nicht eines der ersten Objekte sein würde, die unter den Hammer kamen. Er ließ den Blick über das sitzende Publikum schweifen, aber von der rothaarigen Frau in Trauer war nichts zu sehen. Vielleicht hatte er sie vergrault, vielleicht jedoch hegte sie auch kein solch großes Interesse an dem Bild, wie sie vorgegeben hatte.
Schließlich, nachdem zehn Kunstwerke einen neuen Be-sitzer gefunden hatten, war „Die Wahrsagerin“ an der Reihe. Unverzüglich richtete Richard sich auf und rückte sich den Hut gerade.
„Als Nächstes haben wir ein Ölgemälde aus dem 16. Jahrhundert mit dem Titel ,Die Wahrsagerin““, verkündete der Auktionator. „Wir beginnen mit fünf Pfund für diesen alten Meister, dessen Name uns nicht bekannt ist, der indes fraglos ein Genie seines Faches ist. Fünf Pfund, wir beginnen mit fünf Pfund, wer bietet fünf Pfund?“
Richard hob diskret die Hand, wobei er das Bild bereits an der Wand seines Ankleidezimmers sah.
„Fünf Pfund von dem Gentleman dort drüben bei der Säule, ein Hungerlohn für ein Kunstwerk dieser Qualität, dieser ...“
„Sieben Pfund!“
„Sieben Pfund von der Dame in Trauer!“, rief der Auktionator aus. „Die Dame ist eine Kunstkennerin, Gentlemen, und profitiert jetzt ... “
„Neun Pfund.“ Richard entdeckte sie nun auf einem der vorderen Plätze ganz außen; lediglich ihr Antlitz wurde von einem korpulenten Gentleman in einem grauen Mantel verdeckt, der rechts von ihr saß.
„Neun Pfund von dem Gentleman an der Säule, wer bietet mir
„Fünfzehn!“ Die junge Frau sprang auf, in den schwarz behandschuhten Händen hielt sie den zusammengerollten Katalog.
Aufregung machte sich nun unter den Kunstliebhabern breit. Niemand schien tatsächlich mit einem ernsthaften Gebot für dieses Bild gerechnet zu haben, insbesondere nicht mit einem regelrechten Wettstreit zwischen einer Dame und einem Gentleman.
„Fünfzehn bietet die Dame mit dem Kennerblick für alte Meister, fünfzehn ... “
„Zwanzig.“
Die temperamentvolle junge Frau wandte sich um und warf ihm einen düsteren Blick zu. Als er ihr freundlich zunickte und lächelte, drehte sie sich brüsk wieder um, als weigerte sie sich, ihn zur Kenntnis zu nehmen.
„Fünfundzwanzig“, bot sie mit klarer, heller Stimme für jedermann im Saal verständlich. Es kümmerte sie offensichtlich kein bisschen, derartiges Aufsehen zu erregen, und das gefiel Richard. Wie jammerschade, dachte er. In Bälde wird sie feststellen müssen, dass ich gewillt bin, eine Summe für dieses Bild zu zahlen, von der sie nicht einmal zu träumen wagt.
„Fünfundzwanzig bietet die Dame in Schwarz!“, rief der Gentleman am Pult begeistert aus. „Fünfundzwanzig von ...“
„Fünfzig“, sagte Richard gleichmütig, und das Publikum keuchte im Chor.
„Fünfundfünfzig! “, rief sie mit schriller Stimme und nickte energisch mit dem Kopf.
Richard lächelte. Sie war in der Tat temperamentvoll, das musste er ihr lassen.
„Fünfundfünfzig von der Dame in Schwarz“, verkündete der Auktionator mit inzwischen hochrotem Gesicht und warf Richard einen erwartungsvollen Blick zu. „Fünfundfünfzig von ... “
„Einhundert.“ Er verschränkte wieder die Arme vor der Brust. „Glatt.“
Lautes Raunen und Pfeifen ertönte im Saal, und sämtliche Blicke waren auf die Dame in Schwarz gerichtet.
„Einhundert Pfund für ,Die Wahrsagerin“, kam es donnergleich aus dem Auktionator heraus. „Einhundert bietet der Gentleman an der Säule für dieses exzellente Werk. Höre ich Einhundertfünf?“
Die junge Frau schüttelte den Kopf, sank auf die Bank und verschwand hinter dem dicken Herrn in Grau.
Der offensichtlich enttäuschte Auktionator fuhr fort: „Einhundert Pfund zum Ersten, zum Zweiten.“ Sein Hammer hallte wie ein Donnerschlag durch den Saal. „Zum
Dritten. Verkauft an den Gentleman in dem dunkelblauen Mantel für einhundert Pfund.“
Das Publikum klatschte begeistert, aber kurz Beifall, denn mit der Beendigung des Wettstreits war auch sein Interesse erloschen, und man widmete sich dem nächsten Gemälde, das zur Disposition
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