Spiel unter Freunden
kamen und wohin sie
gefahren sind. Ich hab mir sämtliche Verkehrsdelikte
angeschaut, die es übers Wochenende im County gegeben hat,
unsere und auch die von der Highway Patrol; einfach nur auf die
abwegige Chance hin, dass jemand einen Raser mit wirrem Blick und
blutbesudelter Kleidung angehalten hat. Nichts. Ich hab die
Strafmandate beiseite getan, bei denen außer dem Fahrer
niemand sonst im Auto war, falls wir später etwas finden, was
wir gegenchecken wollen, aber ich muss dir sagen, ich hab das
Gefühl, dass wir hier nichts als heiße Luft
fabrizieren.»
«Entschuldigung?»
Sharon klopfte leicht an den Türrahmen und trat dann sofort
ein.
«Haben Sie es
sich anders überlegt, was die Aushilfen betrifft?» Sie
schleifte einen Stuhl aus der Ecke neben den von Bonar.
«Die Aushilfen
… ? Oh nein, natürlich nicht.» Sie setzte sich
und zog ein kleines Notizbuch aus der Brusttasche. «Ich hab
die Schule von dem Kid gefunden.» Halloran warf einen Blick
auf seine Armbanduhr und sah dann Sharon ungläubig an.
«Auf der Liste standen hunderte Schulen, und Sie wollen die
richtige innerhalb von einer Viertelstunde gefunden
haben?»
«Nein, ich habe
dazu nur ungefähr fünf Minuten gebraucht.
Die restliche Zeit
habe ich mit den dortigen Leuten telefoniert.» Bonar und
Halloran bekamen beide kaum mehr den Mund zu. Sie zuckte die
Achseln, wirkte sogar ein wenig verlegen. «Ich hab eben
Glück gehabt.»
«Glück?» Bonars
dicke Brauen schnellten in die Höhe.
«Glück
nennen Sie das? Heiliger Strohsack, ich bitte Sie, Lady, streichen
Sie mir über den Kopf, damit ich losgehen und mir ein
Lotterielos kaufen kann.» Sharon kicherte verhalten, und
Halloran stellte fest, dass er zum ersten Mal so liebenswerte
Töne von ihr hörte. Ebenso sympathisch wie attraktiv.
«Ich sagte Ihnen doch, dass Sie mir die falsche Liste gegeben
haben, Mike, und da hab ich mir eben selbst eine Liste
zusammengestellt … Die alte wollen Sie doch nicht
zurück, oder? Die wog ja fast eine Tonne. Ich hab sie auf den
Müll geworfen.» Halloran schüttelte langsam den
Kopf und gab sich alle Mühe, nicht hoffnungslos dämlich
auszusehen.
«Nachdem Bonar
mir von diesen Hölleneltern erzählt hatte, stellte ich
mir jedenfalls vor, dass sie ihr Kind bestimmt nicht in ihrer
Nähe haben wollten, und da gab es nur eins:
Internat.
Ein katholisches, ganz
klar, weil sie doch solche religiösen Freaks waren, und dazu
so weit von New York City entfernt wie nur möglich, aber
innerhalb der Staatsgrenzen, damit sie immer noch die staatlichen
Zuschüsse bekamen und obendrein steuerliche
Vergünstigungen. Und ob Sie es glauben oder nicht, von solchen
Internaten gibt es gar nicht so viele.» Sie hielt inne, um
Luft zu holen, und klappte ihr eigenes kleines Notizbuch auf.
«Und dann hatte ich eben Glück. Ja, es war eine kurze
Liste, aber schon der zweite Anruf war ein Volltreffer.» Sie
ließ das Büchlein auf Hallorans Schreibtisch fallen und
drehte es um, als hielte sie es für möglich, dass er
tatsächlich ihre Schrift entziffern konnte.
«Ist das
Steno?» Sie sah ihn erbost an und beugte sich vor, um in das
Buch zu schauen. «Nein, das ist kein Steno. Das ist doch eine
absolut leserliche Handschrift, oder?» Sie tippte mit dem
Finger auf das Gekritzel. «Saint Peter's School of the Holy
Cross in Cardiff. Das ist eine Kleinstadt in der Region Finger
Lakes.
Die Äbtissin ist
seit den sechziger Jahren dort, und kaum hatte ich die Bradfords
erwähnt, wusste sie schon ganz genau, wovon ich sprach.
Erinnerte sich an das Kind, weil es während der zwölf
Jahre, die es dort verbrachte, nicht ein einziges Mal von seinen
Eltern besucht wurde.» Sie verstummte und sah die beiden
Männer an. Danach sprach sie leiser weiter. «Nicht ein
einziges Mal.»
«Guter
Gott», stammelte Bonar, und dann blieben alle drei einen
Moment lang stumm. «Erzählen Sie weiter», bat
Halloran schließlich. «Haben Sie ein passendes Pronomen
herausgefunden?» Sharon nickte gedankenverloren und sah dabei
aus dem Fenster. «Er. Ein kleiner Junge namens Brian.
Fünf Jahre alt, als sie ihn einfach
zurückließen.» Halloran wartete ab, bis sie ihre
Emotionen wieder im Griff hatte, und er wusste genau, dass es nicht
lange dauern würde.
Man könne es sich
nicht leisten, in Mitgefühl zu versinken, wenn man mit
misshandelten Kindern arbeite, hatte sie ihm einmal erklärt.
Das lähmte und machte jede effektive Ermittlungsarbeit
unmöglich. Zwei Sekunden später blickte sie ihn wieder
an,
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