Spiel unter Freunden
traktiert.»
«Ich war
wütend.» Wie jetzt auch. «Ich habe Sie gefragt,
was Sie so spät hier noch tun.» Sie sah ihn eine Minute
lang an und setzte sich dann auf einen Stuhl vor seinem
Schreibtisch. «Ich habe mir all die Verhöre von heute
angesehen. Meine eigenen und auch die der
anderen.»
«Hat Simons
Ihnen das aufgetragen?»
«Nein, aber es
musste gemacht werden.» Sie klatschte ihm einen dicken
Schnellhefter auf den Schreibtisch. Mehrere Blatt Papier waren an
dessen vordere Umschlagseite geheftet. «Die einzelnen
Berichte sind da drinnen. Und das da ist die Liste aller
Gemeindemitglieder, die sämtlich überprüft wurden
bis auf einen Mann, der im Krankenhaus liegt, und ein Ehepaar, das
seine Tochter in Nebraska besucht. Nirgends was
Verdächtiges.»
«Sie haben mit
allen Leuten gesprochen, die nach Meinung der Kleinfeldts
exkommuniziert werden sollten?»
«Hab ich.
Dreiundzwanzig insgesamt. Können Sie sich das vorstellen? Wenn
Sie's wissen wollen vier von ihnen sind tatsächlich
schwul.»
«Das haben die
Ihnen erzählt?»
«Guter Gott,
nein. Aber sie sind es.» Halloran blickte auf die Liste und
las Namen, die er schon sein Leben lang kannte. Sharon hatte die
Namen derjenigen, die von den Kleinfeldts der Homosexualität
bezichtigt worden waren, mit einem gelben Marker hervorgehoben. Als
er sich bei der Überlegung ertappte, wer davon wohl
tatsächlich homosexuell sein mochte, legte er die Liste
beiseite. «Keine Verdachtsmomente?» Sharon zuckte die
Achseln. «Eigentlich nicht. Na ja, viele von ihnen waren
sauer, und einige haben sogar versucht, die Kleinfeldts mit deren
eigenen Waffen zu schlagen sie selbst exkommunizieren zu
lassen, weil sie falsch Zeugnis abgelegt hätten oder so was.
Aber wie sich herausstellt, vergeben einem die Katholiken, auch
wenn man eines der Zehn Gebote gebrochen hat. Man kann trotzdem
Papst-Freak bleiben und braucht seinen Vereinsausweis nicht
abzugeben. Aber wehe du praktizierst in deinen eigenen vier
Wänden im Einverständnis mit einem anderen Erwachsenen
eine spezielle sexuelle Vorliebe, dann bist du sofort
draußen. Schwachköpfe.» Ihr tiefer Seufzer klang
entnervt. «Jedenfalls hat nach den ersten Denunzierungen kaum
jemand mehr reagiert. So hielten die Kleinfeldts zum Beispiel Mrs.
Wickers für lesbisch. Die Frau ist 83 Jahre alt und schon
lange jenseits von gut und böse. Die weiß noch nicht
mal, was ein Homosexueller ist. Ihre Kinder sind sauer deswegen
wie viele andere der dreiundzwanzig auch-, aber keiner von
ihnen könnte je zum Mörder werden. Glauben Sie
mir.»
«Tu ich
ja.»
«Okay.
Außerdem habe ich mich beim FBI und auch beim National Crime
Information Center informiert. Im Augenblick sind wir landesweit
die einzigen, die einen kreativen Brustkorbaufschlitzer vorzuweisen
haben. Zumindest einen mit religiösem Hintergrund. In Omaha
gibt es einen, der auf Brüste fixiert ist, aber er schneidet
sie nur ab. Doch wenn wir von Genitalien sprechen oder von
Gesichtern, dann hätten wir da eine große Auswahl
…» Plötzlich presste sie die Lippen aufeinander
und starrte angestrengt an seinem Kopf vorbei auf einen Punkt an
der Wand. «Was da draußen alles abläuft,
können Sie sich nicht vorstellen, Halloran.» Sie sah ihn
an, stand auf und setzte sich gleich darauf wieder. «Sie
sehen schlecht aus. Sie sollten nach Hause
fahren.»
«Das gilt auch
für Sie. Also gute Nacht, Sharon.» Er zog einen Stapel
Papiere in den Lichtschein und machte sich an die
Lektüre.
«Möchten
Sie darüber reden?»
«Über
was?»
«Danny.»
«Um Gottes
willen, nein.» Er las weiter.
«Ich
aber.»
«Dann gehen Sie
und tun es woanders.»
«Es war nicht
Ihre Schuld, Mike.»
«Ich bin nicht
einer von Ihren Missbrauchsfällen, Sharon, und ich habe es
auch nicht nötig, mich von einer blutjungen
Schmalspurpsychologin analysieren zu lassen. Also bitte, halten Sie
sich raus.»
«Sie versteigen
sich in dieses katholische ‹Mea culpa›-Ding. Und das
ist dumm.»
«Fick dich doch,
Sharon, verdammt nochmal.»
«Na ja, das
könnte vielleicht helfen, aber ich glaub nicht, dass Sie schon
so weit sind. Das F-Wort hab ich von Ihnen ja noch nie
gehört.» Halloran betrachtete diese nette junge Frau aus
Wisconsin, deren Alltag darin bestand, sich mit dem sexuellen
Missbrauch von Kindern zu beschäftigen, es aber dennoch nicht
über sich brachte, das F-Wort auszusprechen. «Machen
Sie, dass Sie rauskommen», sagte er erschöpft.
«Fahren Sie nach Hause. Lassen
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