Spiel unter Freunden
künstlichen Fingernägeln erkennen, der den
Eindruck aufkommen ließ, dass diese Hände gar nicht zu
ihr gehörten.
Oh, wie sie das hier
liebte! Noch niemals war sie so gekleidet gewesen, und das aus
gutem Grund. Ihre Eltern hätten sie nämlich umgebracht.
Aber dies hier war der erste Abend ihres Lebens fern von zu Hause;
ein Abend, um über die Stränge zu schlagen und für
einen Fremden, der ihr Leben verändern würde, Risiken
einzugehen.
Sie war schon immer
überzeugt gewesen, vom Schicksal ausgewählt zu werden und
ihre Bestimmung nicht selbst suchen zu müssen wie normale
Menschen. Sollten die einfältigen Mädchen sich doch mit
der Dreieinigkeit der Langeweile begnügen Schule, Ehe,
Kinder. Alena war besser als sie, schöner als sie, und schon
bald würde es alle Welt wissen.
Alena erschauderte,
als ein Windstoß sie traf. Sie hoffte, das Kleid nicht
ausziehen zu müssen es bot zwar keinen großen
Schutz vor der Kälte, aber es war zumindest besser als
nichts.
Zudem hoffte sie, dass
es nicht zu irgendwelchen sexuellen Handlungen kommen würde.
Sie hatte gehört, dass Fotografen manchmal versuchten, mit
ihren Models Sex zu haben, bevor diese zu Stars wurden. Aber
eigentlich war es auch egal, dachte sie. Sie hatte schon aus
nichtigeren Gründen Sex gehabt.
«Los
geht's.» Alena hielt inne und blickte an
der riesigen Skulptur empor.
Im selben Augenblick
verstand sie auch den Sinn des übertriebenen und grellen
Make-ups, der Netzstrumpfhose und des offenherzigen Kleides. Sie
konnte sich vorstellen, was der Fotograf als erste Aufnahme
für ihr Portfolio im Sinn hatte: eine Hure, davongetragen auf
den Flügeln eines Engels. Ein beeindruckendes Bild ein
faszinierendes Foto und letztlich gar nicht so weit entfernt
von der Wahrheit.
Es war schwierig,
hinaufzuklettern, zumal sie auch noch Angst hatte, sich die
Strümpfe am Stein zu zerreißen oder ihre nagelneuen
Fingernägel zu zerkratzen, aber schließlich gelang es
ihr, sich über einem der mächtigen Flügel in Positur
zu legen. «Ist es so in Ordnung?»
« Beinahe perfekt. Ich klettere
nur noch kurz hoch, um dein Haar nach hinten zu stecken. Es ist
wunderschön, wusstest du das?» Alena lächelte.
Natürlich wusste sie es.
«Aber es
verdeckt einen Teil deines Millionen-Dollar- Gesichts. Und das
können wir doch keinesfalls zulassen.» Die Finger
berührten sanft ihre Wange, als sie die Haare hinters Ohr
streiften. Einen Augenblick verweilten sie dort.
«Du wirst
sehr berühmt werden, Alena.» Und obwohl es ihr
ausschließlich ebendarum ging, verflüchtigten sich doch
alle Gedanken an Ruhm augenblicklich, als Alena das kalte Metall
spürte, das sich so gar nicht wie eine Haarspange
anfühlte. Sie dachte an ihre Mutter und sah deren warmherziges
und liebevolles Gesicht vor sich, als sie fühlte, wie der
Engelsflügel unter ihr sich mit Macht bewegte und sie langsam
in die Höhe hob.
Kapitel 9
Sheriff Michael
Halloran schob seinen Stuhl vom Schreibtisch weg und rieb sich mit
den Handballen die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er
Sharon Mueller in seiner Bürotür stehen.
«Diese Funzel
wird Ihnen noch die Augen ruinieren.» Sie nickte in Richtung
der Lampe mit dem grünen Schirm, die auf seinem Schreibtisch
stand.
«Das ist eine
Leselampe. Ich hab gelesen.»
«Zum Lesen ist
es hier drinnen zu dunkel.» Sie wollte nach dem Schalter an
der Wand greifen, ließ aber die Hand sinken, als er den Kopf
schüttelte. Sie trug ihre dicke Jacke, deren Kragen sie bis
über die Ohren hochgeschlagen hatte, weil ihr Haar für
diesen Job zu kurz war. «Kommen Sie oder gehen Sie?»,
fragte Halloran. «Und sollten Sie gehen was machen Sie
eigentlich noch immer hier? Es ist fast
Mitternacht.»
«Allerhand Zeug
wegen der Kleinfeldts. Aber unbesorgt, ich werde keine
Überstunden aufschreiben.»
«Ich bin
unbesorgt, und Sie werden doch Überstunden
aufschreiben.» Sie kam ins Büro geschlendert und
berührte einen Gegenstand nach dem anderen
Möbelstücke, Bücher, die Zugkordel der Jalousie vor
dem großen Fenster, die Halloran niemals herunterließ.
Er hatte eine Vielzahl von Frauen kennen gelernt, die sich genauso
verhielten, wenn sie in den Lebensbereich eines anderen Menschen
eindrangen. Als könnten sie durch Abtasten Informationen
sammeln. Direkt vor seinem Schreibtisch blieb sie stehen.
«Wie geht's Ihrer Hand?»
«Was meinen
Sie?»
«Bonar sagte,
Sie hätten heute Nachmittag bei den Kleinfeldts eine Wand mit
der Faust
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