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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Timenes nach Varoddbrua, und von Varoddbrua nach Lund …
    Schweigend saßen wir auf der Rückbank und blickten auf die hügelige und abwechslungsreiche Landschaft hinaus, durch die sich die Straße schlängelte. Vorbei an Sunden mit kleinen Inseln und Felseneilanden, in tiefe Wälder hinein, an Flüssen und Stromschnellen, Siedlungen und Industrie gebieten, Höfen und Wiesen vorbei, die alle so vertraut waren, dass ich in jedem Moment wusste, was mich als Nächstes erwarten würde. Nur wenn wir am Tierpark vorbeifuhren, erwachten wir aus unserem Dämmerzustand, denn dort konnte man hinter hohen, langen Maschendrahtzäunen manchmal das eine oder andere Tier erspähen, und zwar umsonst! Hatten wir ihn hinter uns gelassen, dämmerten wir von Neuem vor uns hin. Eine Stunde lang saßen wir still auf der Rückbank, eine ganze, endlose Stunde, bis die Stadt vor uns allmählich Form annahm und sich der Schwerpunkt zwischen dem bevorstehenden Besuch bei Großmutter und Großvater und der Autofahrt verschob. In die Stadt einzufahren hieß, in die Zeit zu fahren, die Uhren tickten wieder, da war das Geschäft Oasen, unterhalb davon wohnten unser Cousin und unsere Cousine, Jon Olav und Ann Kristin, Kinder von Mutters Schwester Kjellaug und ihrem Mann Magne; dort waren die Kastanienbäume am Straßenrand und die hohen schmutzigen Backsteinhäuser dahinter, dort war die Apotheke, dort der Kiosk Rundingen, dort die Ampelkreuzung, dort das Musik geschäft, dort waren die weißen Holzhäuser, dort war die schmale Straße, und dann lag links plötzlich das gelbe Haus meiner Großeltern.
    Vater fuhr ein paar Meter abwärts am Haus vorbei und setzte anschließend in die schmale, gegenüberliegende Gasse zurück. Dann erst konnte er die kurze steile Auffahrt nehmen.
    Großmutters Gesicht tauchte im Küchenfenster auf. Als wir aus dem Wagen gestiegen waren, der ganz dicht vor dem lackierten Garagentor mit seinen schwarzen, schmiedeeisernen Beschlägen parkte, und die rot gestrichene Steintreppe hinaufstiegen, öffnete sie die Tür.
    »Da seid ihr ja!«, sagte sie. »Kommt rein!«
    Und als wir in den kleinen Eingangsflur traten:
    »Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie ich mich auf euch gefreut habe, Jungs!«
    Sie schloss Yngve lange in ihre Arme und wiegte ihn hin und her. Er wandte sein Gesicht ein wenig ab, aber es gefiel ihm trotzdem. Anschließend schloss sie mich lange in ihre Arme und wiegte mich hin und her. Auch ich wandte mein Gesicht ein wenig ab, aber auch mir gefiel es. Ihre Wange war warm, und sie roch gut.
    »Wir haben im Tierpark vielleicht einen Wolf gesehen!«, erzählte ich, als sie mich losließ.
    »Habt ihr!«, sagte sie, lachte und zerzauste mir die Haare.
    »Das haben wir nicht«, widersprach Yngve. »Das ist nur in Karl Oves Fantasie passiert.«
    »Habt ihr nicht!«, rief sie und zerzauste ihm die Haare. »Jedenfalls ist es schön, euch zu sehen, Jungs!«
    Wir hängten unsere Jacken in dem dahinterliegenden Flur auf, wo es einen offenen, in die Wand eingelassenen Garderobenschrank gab, gingen über den blauen Teppichboden und stiegen die Treppe hinauf. In der ersten Etage lag rechts die gute Stube, links die Küche. Die gute Stube wurde nur an Heiligabend und zu anderen feierlichen Anlässen benutzt. An der Querwand stand ein Klavier, auf dem drei Bilder von den Söhnen des Hauses mit aufgesetzten Abiturmützen standen, darüber hingen zwei Gemälde. An der Längswand standen dunkle Regale mit Glastüren, auf denen einige Souvenirs von ihren Reisen aufgestellt waren, unter anderem eine leuchtende Gondel und eine Teekanne aus braungelbem Glas mit einer furchtbar langen Tülle, die mit Steinen besetzt war, die ich für Diamanten und Rubine hielt. Ganz hinten standen zwei schwarze Ledersofas, zwischen ihnen ein rosa lackierter Eckschrank, vor ihnen ein niedriger Tisch. Durch die großen Fenster hatte man Aussicht auf den Fluss und die Stadt dahinter. Bei einem alltäglichen Besuch wie diesem gingen wir allerdings nicht dort hinein, sondern nahmen die Tür links, hinter der die Küche und die beiden Zimmer darunter lagen, von denen das untere durch eine Schiebetür am Kopf einer kleinen Treppe mit der guten Stube verbunden war. Die halbe Längswand wurde dort von einem Fenster eingenommen, durch das man zunächst den Garten und danach den Fluss sah, der sich in der Begegnung mit dem Meer weitete, und am äußersten Punkt thronte vor dem Horizont der Leuchtturm Grønningen.
    Es roch gut bei ihnen, nicht nur in der

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