Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
Vom Netzwerk:
Küche, in der Großmutter Frikadellen mit brauner Bratensauce zubereitete, was sie besser beherrschte als die meisten, gut roch vielmehr auch der Duft, der unter allen anderen lag und konstant blieb, diese schwache, fruchtige Süße, die ich mit diesem Haus verband, wenn ich an einem anderen Ort auf ihn stieß, zum Beispiel, wenn Großmutter und Großvater uns besuchten, denn dann brachten sie den Geruch mit, er hing in ihren Kleidern, und ich bemerkte ihn sofort, wenn sie bei uns in den Flur traten.
    »Und?«, sagte Großvater, als wir in die Küche kamen. »War viel Verkehr?«
    Er saß ein wenig breitbeinig auf seinem Stuhl, war mit einer grauen Strickjacke und einem blauen Hemd darunter bekleidet. Sein Bauch wölbte sich über den Bund der dunkelgrauen Hose. Seine Haare waren schwarz und bis auf eine Strähne zurückgekämmt, die ihm in die Stirn gefallen war. Zwischen seinen Lippen hing eine halb gerauchte, erloschene Zigarette.
    »Die Straßen waren frei«, antwortete Vater.
    »Wie ist es denn gestern beim Tippen gelaufen?«, erkundigte sich Großvater.
    »Nicht besonders«, sagte Vater. »Sieben war das Beste.«
    »Ich hatte zwei Mal zehn«, meinte Großvater.
    »Nicht schlecht«, sagte Vater.
    »Ich lag bei Nummer sieben und elf daneben«, erläuterte Großvater. »Das zweite war wirklich ärgerlich. Immerhin ist das Tor erst gefallen, als das Spiel eigentlich schon vorbei war!«
    »Ja«, sagte Vater. »Die Partie habe ich auch nicht richtig getippt.«
    »Habt ihr schon gehört, was einer von Erlings Schülern vor ein paar Tagen gesagt hat?«, fragte Großmutter am Herd stehend.
    »Nein?«, sagte Vater.
    »Er ist morgens angekommen, und dann hat ihn der Schüler gefragt: ›Haben Sie beim Toto gewonnen?‹, worauf Erling ›Nein, wieso?‹ geantwortet hat, ›Na, Sie sehen so fröhlich aus‹, hat der Schüler daraufhin gesagt.«
    Sie lachte. »Sie sehen so fröhlich aus«, wiederholte sie.
    Vater grinste.
    »Möchtet ihr eine Tasse Kaffee?«, fragte Großmutter.
    »Ja, bitte«, antwortete Mutter.
    »Wir setzen uns unten ins Wohnzimmer«, sagte Großmutter.
    »Dürfen wir hochgehen und uns ein paar Hefte holen?«, fragte Yngve.
    »Das dürft ihr«, erwiderte Großmutter. »Aber bringt mir da oben ja nichts durcheinander!«
    »Nein«, beteuerte Yngve.
    Mit vorsichtigen Schritten, denn auch dies war ein Haus, in dem man nicht laufen durfte, kehrten wir in den Flur zurück und stiegen die Treppe in die zweite Etage hinauf. Außer Großmutter und Großvaters Schlafzimmer gab es dort einen großen offenen Raum mit Dachschrägen, in dem an der Wand Papptüten voller alter Comichefte aus Vaters Kindheit in den Fünfzigern standen. Es gab dort auch noch andere Dinge, beispielsweise einen alten Apparat, der benutzt wurde, um Tischdecken und Bettwäsche zu mangeln, eine alte Nähmaschine, einiges altes Spielzeug, unter anderem einen Brummkreisel aus Zinn und eine Figur, die wohl ein Roboter sein sollte und aus dem gleichen Material war.
    Uns lockten jedoch die Hefte. Wir durften sie nicht mitnehmen, mussten sie dort lesen, was wir manchmal von unserer Ankunft bis zur Rückfahrt machten. Jeder mit einem Stapel bewaffnet kehrten wir nach unten zurück, setzten uns und blickten erst wieder auf, wenn das Essen auf dem Tisch stand und Großmutter uns zu Tisch bat.
    Nach dem Essen spülte Großmutter, und Mutter stand neben ihr und trocknete ab. Großvater saß am Tisch und las Zeitung, Vater stand im Wohnzimmer am Fenster und schaute hinaus. Dann kam Großmutter herein und fragte ihn, ob er Lust habe, sie in den Garten zu begleiten, sie wolle ihm etwas zeigen. Mutter und Großvater saßen daraufhin am Tisch und unterhielten sich stockend, die meiste Zeit schwiegen sie sich an. Ich stand auf, um aufs Klo zu gehen. Die Toilette befand sich im Erdgeschoss, ich mochte sie nicht und hatte mich lange zurückgehalten, aber jetzt ging es nicht mehr. In den Flur hinaus, die knarrende Holztreppe hinunter, schnell über den teppichbedeckten Fußboden im Flur, sozusagen umzingelt von den drei leeren Zimmern, die hinter den geschlossenen Türen lagen, und schließlich ins Badezimmer. Dort war es dunkel, und in den Sekunden, die verstrichen, bis das Licht anging, zitterte ich innerlich. Aber selbst bei Licht hatte ich Angst. Ich pinkelte direkt unter den Rand, damit das plätschernde Geräusch des Strahls, der das Wasser in der Schüssel traf, mich nicht daran hinderte, etwas zu hören. Außerdem wusch ich mir die Hände, bevor ich

Weitere Kostenlose Bücher