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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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unserem Haus anzukommen, die Schritte auf dem Kies, das peitschende Knallen der Autotüren und das Klirren des Schlüsselbunds zu hören, woraufhin das Licht im Flur eingeschaltet wurde und die Gegenwart aller vertrauten Dinge offenbarte. Die Schuhe mit den Schnürsenkelösen als Augen und der Zunge als Stirn, der kalte Blick der weißen Steckdosen über den Fußleisten an der Wand, der abgewandt stehende Kleiderständer in der Ecke. Und in meinem Zimmer: die Kugelschreiber und Bleistifte, die wie eine Teenagerclique im Stifthalter zusammenstanden, manche von ihnen hochmütig gegen den Rand gelehnt und jederzeit bereit auszuspucken, um ihr Desinteresse an allem und jedem zu demonstrieren. Das Oberbett und das Kissen, die entweder streng gemacht lagen und wie etwas aussahen, was man lieber nicht berühren sollte, wie ein Sarkophag oder eine Kapsel in einem Raumschiff, oder nach meinen letzten Bewegungen in ihnen geformt waren, froh, nun die Stellung wechseln zu dürfen, aber ohne Forderungen in diese Richtung zu stellen. Der starre Blick der Lampen. Der Mund des Schlüssellochs, die beiden Augen der Beschlagschrauben, die lange, seltsam platzierte Nase der Klinke.
    Ich putzte mir die Zähne, rief Mutter und Vater gute Nacht zu und legte mich ins Bett, um noch eine halbe Stunde zu lesen. Ich hatte zwei Lieblingsbücher, die ich so lange unter Quarantäne zu stellen versuchte, dass ich sie wieder wie beim ersten Mal lesen konnte, was mir jedoch niemals gelang, weil ich schon viel früher erneut nach ihnen griff. Das eine war Doktor Dolittle , es handelte von einem Doktor, der mit Tieren sprechen konnte und mit ihnen eines Tages zu einer langen Reise aufbrach, nach Afrika, wo er, nachdem er von Hottentotten gejagt und gefangen genommen worden war, schließlich fand, wonach er gesucht hatte, nämlich das seltene Tier, das zwei Köpfe besaß, einen an jedem Körperende. Das andere war Fresi Fantastika , es handelte von einem Mädchen, das auf der Fontäne eines Springbrunnens balancieren konnte, es ließ sich vom Wasserstrahl hochschleudern und balancierte nach diversen Abenteuern auf dem Spritzwasser aus dem Atemloch eines riesigen Wals über dem Meer. An diesem Abend zog ich allerdings ein anderes Buch aus dem Stapel, und zwar Die kleine Hexe , das von einer Hexe handelte, die zu klein war, um zum Hexensabbat auf dem Blocksberg mitzukommen, heimlich aber trotzdem hinflog. Sie machte mehrere verbotene Dinge, zum Beispiel an einem Sonntag zu hexen, und es war fast unerträglich, davon zu lesen, sie sollte das lieber nicht tun, sie würde erwischt werden … und das wurde sie natürlich auch, aber da ich die Geschichte so gut kannte, ging ich dazu über, mir nur die Bilder anzuschauen. Als ich das Buch durchgeblättert hatte, machte ich das Licht aus, legte den Kopf aufs Kissen und schloss die Augen.
    Ich war fast eingeschlafen, vielleicht hatte ich sogar schon geschlafen, denn es war, als kehrte ich auf einmal zu meinem Bett und ins Zimmer zurück, herbeigerufen davon, dass es an der Tür klingelte.
    Diing-dong .
    Wer in aller Welt konnte das sein? Es klingelte sonst nie an unserer Tür, es sei denn, es kamen Gäste, die wir erwarteten, also in neun von zehn Fällen Großmutter und Großvater, ergänzt um den einen oder anderen Vertreter oder einen von Yngves Freunden. Aber keiner von ihnen würde jemals so spät am Abend klingeln.
    Ich setzte mich im Bett auf, hörte Mutter durch den Flur und die Treppe hinunter gehen, schwache Stimmen aus der unteren Etage. Dann kam sie wieder hoch, wechselte ein paar Worte mit Vater, die ich nicht verstand, ging erneut hinunter und schien sich dort Mantel und Schuhe anzuziehen, denn unmittelbar darauf wurde die Haustür geschlossen und kurz danach ihr Auto angelassen.
    Was um Himmels willen? Wohin wollte sie denn jetzt ? Es war doch schon fast zehn !
    Ein paar Minuten später ging auch Vater die Treppe hinunter. Aber er ging nicht aus dem Haus, sondern in sein Arbeitszimmer. Als ich das hörte, stand ich auf, öffnete vorsichtig die Tür und schlich mich durch den Flur in Yngves Zimmer.
    Er lag auf dem Bett, las und war noch angezogen. Als er mich sah, lächelte er und setzte sich auf.
    »Du kommst nur in Unterhose?«, fragte er.
    »Wer hat geklingelt?«
    »Frau Gustavsen, glaube ich«, antwortete er. »Und ihre Kinder.«
    »Aha? Aber warum? Und warum ist Mama mit dem Auto weggefahren? Wo will sie denn hin?«
    Yngve zuckte mit den Schultern.
    »Ich glaube, sie fährt sie zu

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