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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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einen Sparringspartner zu haben? Nur um eine kleinere Version von sich selbst zu erschaffen? Einmal hatte Luke geglaubt, die spirituellen Abkanzelungen durch Caleb überwunden zu haben – als Jugendlicher, als er Gott und Caleb mit dem Wetter gleichgesetzt hatte: Man muss das Wetter nicht mögen, aber man darf es auch nicht persönlich nehmen. Du bist nur zufällig an diesem Ort. Find dich damit ab. Trauer und Schmerz gehören zur menschlichen Existenz, das wird sich nie ändern. Das kann ein einzelner Mensch nicht richten. Luke wurde zum Bad Boy, von dem jede Mutter fürchtete, ihre Tochter könnte sich mit ihm einlassen: verzweifelte Aktionen, bei denen er Autos hinterm Reifenladen kurzschloss oder für Tage verschwand, um mit den jugendlichen Außenseitern, die neben der Trainerbank am Lacrosse-Platz rauchten, Ecstasy zu nehmen. Luke sagte sich, dass der Glaube an Gott nur eine Methode ist, mit den Dingen zurechtzukommen, auf die man keinen Einfluss hat. Sein Vater erklärte ihm, das sei lächerlich und dass damit die moralischen Verpflichtungen des Einzelnen noch nicht abgehandelt wären.
    Luke begreift, dass seine rebellische Phase ein notwendiger Schritt auf seinem Weg zum Pastorenberuf gewesen war. Niemand braucht Rat und Beistand von einem Tugendbold.
    Karen fragt Bertis: »Sind Sie verheiratet?«
    »Nein. Sie?«, blafft Bertis.
    »Nein. Ich war es aber. Waren Sie es je?«, erwidert Karen.
    Bertis schweigt lange genug, um deutlich zu machen, dass die Antwort ja lautet.
    »Sie hat Sie sitzenlassen, stimmt’s?«
    Bertis fährt aus der Haut: »Wie können ausgerechnet Sie es wagen, über mein Leben herzuziehen?«
    Ahhh …… Luke erlebt das nicht zum ersten Mal: Hyperreligiositätbei Sitzengelassenen – Menschen, in der Regel Männer, die sich wie die Besessenen in den Glauben stürzen, nachdem sie verlassen worden sind. Bloß eine Art von Zwangsstörung, nicht viel anders als das Horten alter Zeitungen oder zwanghaftes Händewaschen.
    »Ich sehe auch keinen Ring an Ihren Fingern, Pastor Luke«, sagt Bertis, und Luke ist bestürzt. »Ah, jetzt hab ich also einen wunden Punkt getroffen. Schwul wirken Sie nicht auf mich, da muss ich also annehmen, dass auch Sie ein gebranntes Kind sind. Ich hab doch recht, oder? Karen, was meinen Sie – ist Luke ein gebranntes Kind?«
    Mannomann, der Kerl ist wahrlich ein Meister im Erzeugen peinlicher Momente , denkt Luke. Dann schaut er Karen an. Sie steht mit verschränkten Armen zwischen ihm und Bertis. Und er kann ihr ansehen, dass sie wirklich wissen will, warum er als Single geendet hat.
    »Nur dass ich das richtig verstehe: Trotz allem, was hier geschieht und geschehen ist, wollt ihr beide wirklich wissen, wieso ich noch Single bin?«
    Karen und Bertis nicken.
    »Na schön, also …«
    Ja, Luke, warum bist du Single?
    Luke dachte darüber nach. Warum?
    »Tja, mein Dad war Geistlicher, und deswegen habe ich rebelliert – ja, ja, Son of A Preacherman und so weiter, und ich kann euch sagen, das wirkt auf Frauen tatsächlich unwiderstehlich – aber dann, mit zwanzig, hatte ich genug von der Welt gesehen, um zu wissen, dass wir uns vor uns selbst schützen müssen. Also kehrte ich heim in den Schoß der Kirche. Und …« Luke wurde so schwermütig, wie man es nur werden kann, wenn man gerade eine Schrotflinte auf die Halsschlagader eines anderen Menschen gerichtet hält. »Ich wusste, dass ich eine gequälte Seele war – so sah ich das damals. Aber als ich in die Kirche zurückkehrte, wollten die Frauen dort einen Gutmenschen, eine Schnellstraße zu Gott, Expressabfertigung für höchstensZehn Gebote. Dummerweise war ich zwar kein Bad Boy mehr, aber obwohl ich Pastor geworden bin, bin ich auch nie ein Gutmensch gewesen. Und in diesem lauwarmen Dazwischen hat mich auch nie jemand gemocht. Ich bin jetzt schon dreißig Jahre und ein paar Gequetschte hier auf Erden, aber ich glaube nicht, dass es auch nur einen Menschen gibt, der mich wirklich gekannt hätte, was eine persönliche Katastrophe ist. Ich weiß nicht einmal, ob man Menschen überhaupt wirklich kennen kann.«
    Mit diesen letzten Worten hatte er Karens ungeteilte Aufmerksamkeit gewonnen.
    »Sich über solche Sachen klarzuwerden braucht Zeit. Ich komme ins Schwafeln. Ich bin auch nur ein Mensch; ich bin immer noch Gefangener der … der Zeit … gefangen in der Welt der Dinge .«
    »Hören Sie nicht auf«, sagte Karen. »Sie reden kein dummes Zeug. Sprechen Sie weiter.«
    »Okay, also – wahrscheinlich bin ich

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