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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Kenntnisse, aber ich war nicht Rick.«
    »Meinst du so was wie Schizophrenie? Oder dissoziative Persönlichkeitsstörung?«
    »Nein. Das wäre ja noch interessant gewesen. Das hätte man mit Tabletten wieder hinkriegen können. Was ich habe, kann man nicht mit Medikamenten – oder Alkohol – beheben, obwohl ich’s versucht habe. Ich meine, ich hatte ein Kind und eine Frau, und dann, als meine Ehe kaputt war, sah ich mich um, und alle in meinem Leben hatten sich verändert, waren älter geworden, waren anders geworden, hatten sich weiterentwickelt. Da habe ich versucht, dem Leben aus dem Weg zu gehen, indem ich die ganze Zeit geschlafen hab, doch meine Probleme sind mir bis in meine Träume gefolgt. Das war vielleicht ätzend. Und dann kam das Trinken. Und die Erkenntnis, dass ich für Menschen unter dreißig unsichtbar wurde. Ich lernte, dass Frauen zwar Männer in meinem Alter wollen, aber nicht mit meinem Kilometerstand. Ich musste lernen, mit dem Wissen klarzukommen, dass meine Chancen auf irgendwas Großes im Leben verspielt waren. Ich würde niemals reich oder in irgendetwas besonders gut werden – egal was. Also kratzte ich alles zusammen, was ich hatte, kaufte mir einen Van und Werkzeuge und hab mich mit einer Landschaftsbaufirma selbständig gemacht. Das Geschäft war gerade einigermaßen angelaufen, da wurde mir alles gestohlen – der Wagen und die Geräte – und da wollte ich einfach nicht mehr weiter existieren.«
    »Selbstmordgedanken?«
    »Nein, ich hatte meine ganze Existenz satt. Manchmal kommt es einem vor, als wäre alles im Leben nur etwas, mit dem wir uns abschleppen bis ins Grab. Dann sah ich diesen Freemont im Fernsehen, und mir war, als könnte er das Loch in meiner Seele sehen und wüsste auch, wie man es stopft. Er war so zuversichtlich. Die Menschen mochten ihn. Er wusste, wie man sich durchsetzt. Er gab mir denBeweis, dass das Leben viel mehr sein kann, als wir ihm zugestehen – dass aus heiterem Himmel etwas Großartiges passieren kann. Dass wir in eine Welt treten, in der alle Frauen diese hübschen, frischen Pullover von Banana Republic tragen und ohne einen falschen Ton die Lieder im Radio mitsingen, eine Welt, in der die Männer Chevy Camaros fahren und niemals stolpern, nie irgendwas in den Sand setzen oder sich zum Narren machen. Ich habe geglaubt, Leslie Freemonts Ideen würden mir das Gefühl geben, wieder jung zu sein.«
    »Ich finde nicht, dass man dein Gesicht als alt auffassen kann.«
    »Das ist eine interessante Art, es auszudrücken. Aber ich bin es. Alt. Glaub mir.«
    »Es gibt da eine Formulierung, die normale Menschen gerne benutzen: Man ist nur so alt, wie man sich fühlt.«
    »Das seh ich anders, Rachel. Wenn man jung ist, hat man das Gefühl, das Leben hätte noch gar nicht begonnen, dass es erst nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr, nach den Ferien – wann auch immer – offiziell losgeht. Aber plötzlich ist man alt, und das erhoffte Leben ist nie bei einem angekommen. Ich saß da und fragte mich: ›Also, was hast du eigentlich die ganze Zeit getrieben vor dem Moment, von dem du geglaubt hast, da würde dein richtiges Leben beginnen?‹«
    »Ich glaube, wir sollten zurück in die Bar gehen, Rick«, sagte Rachel.
    »Auf keinen Fall. Ich will für immer hierbleiben. Hier drin. Mit dir.«
    »Da draußen sitzt ein Heckenschütze, und Karen und Luke brauchen vielleicht Hilfe dabei, ihn zu bewachen.«
    »Ich weiß.«
    Rachel kam hoch auf die Knie und sah Rick an. Rick küsste seine Fingerspitzen und berührte damit ihre Lippen. Er sagte: »Weißt du, die Vorstellung, es gäbe Superman, hat mir immer gefallen, denndann gäbe es zumindest einen Menschen auf der Welt, der nichts Böses tut. Und auch noch fliegen kann.«
    »Superman ist absurd«, meinte Rachel. »Die Vorstellung, Menschen könnten fliegen, ist lächerlich. Um fliegen zu können, bräuchten wir Brustmuskeln von mindestens anderthalb Metern Dicke.«
    Rick lächelte. »Ich habe immer zu Gott gebetet. Ich habe gesagt: ›Bitte, lieber Gott, mach mich zu einem Vogel, einem anmutigen weißen Vogel, unbefleckt und frei von der Angst vor Einsamkeit, und schenke mir andere weiße Vögel, in deren Schar ich mitfliegen kann, und einen so weiten und großen Himmel, dass ich niemals landen müsste, wenn ich es nicht wollte.‹« Rick schaute Rachel tief in die Augen.
    »Aber du kannst kein Vogel sein«, sagte Rachel. »Du bist ein Mensch. Menschen können keine Vögel sein.«
    Rick lächelte erneut.

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