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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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ein gebranntes Kind, und, ja, ich glaube, ich habe einen Knacks weg. Ich stelle den Weg, den ich eingeschlagen habe, ernstlich in Frage, und ich habe noch immer an den Kompromissen zu knabbern, die ich in meinem Leben eingegangen bin.« Luke setzte sich Bertis gegenüber an den Tisch, so dass Karen zwischen ihnen saß.
    »Erzählen Sie weiter«, sagte Bertis.
    »An einem Punkt hatte ich wirklich mal das Gefühl, eine Seele zu haben – sie fühlte sich an wie ein kleines Stückchen Glut, das tief in meinem Innern steckte. Es fühlte sich echt an.«
    »Und, wer hat Sie nun sitzenlassen?«, fragte Bertis und fügte hinzu: »Ich werde doch einen Leidensgenossen erkennen.«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Ja.«
    »Nein, es spielt keine Rolle, denn nichts von allem spielt eine Rolle, weil ich, ganz egal was ich tue, wie mein Arschloch von Vater Alzheimer kriegen werde.« Karens Augen wurden noch größer. »Dasist der eigentliche Grund für die meisten Dinge, die in meinem Leben aus dem Ruder gelaufen sind. An dem Tag, an dem ich fünfundfünfzig werde, wird mein Universum beginnen, sich selbst auszuradieren. Warum also überhaupt noch irgendetwas anfangen?«
    Sie hörten Geräusche hinter sich.
    »Was ist das?«, fragte Karen.
    »Ich glaube, die zwei machen es dahinten miteinander«, meinte Bertis.
    Weitere Geräusche.
    »Sie ist doch über achtzehn, oder?«, fragte Karen.
    Bertis sah Luke an, der eine etwas schmollende Miene machte. »Da sind Sie eifersüchtig, was?«, fragte Bertis. »Lassen Sie mich raten – Sie haben geglaubt, sie würde mehr auf Sie stehen.«
    Karen ging dazwischen. »Was mich momentan mehr interessiert, Bertis: Was ist eigentlich mit Ihnen los?«
    »Bitte?«
    »Sie. Gewehr. Leute umbringen.«
    »Wie ich sehe, haben Sie keinen Glauben, Karen.«
    »Glauben woran denn?«
    »An Gott. An eine große Wahrheit.«
    »Ich höre.«
    »Sie müssen einsehen, dass Ihr gegenwärtiger Weg nur der Tod in Verkleidung ist.«
    »Weiter.«
    »Sie müssen das Universum als einen Ort voller riesiger Felsbrocken und ungeheurer brennender Gasbälle betrachten, die Gesetzmäßigkeiten folgen, aber sich dann auch nach dem Grund des Ganzen fragen. Denken Sie daran, dass wir beseelte Wesen sind – wir haben mystische Impulse, Impulse, die uns sagen, dass das Universum ein Ort der Mysterien ist, nicht bloß ein Vakuum mit Gesteinsbrocken und Lava. Wir kommen alle fern von Gott zur Welt – das Leben sorgt dafür, dass wir immer wieder daran erinnert werden –,und dennoch sind wir alle real: Wir haben Namen, wir haben Biographien. Unser Dasein hat eine Bedeutung. Es muss so sein.«
    »Okay.«
    »Ihr Leben ist zu einfach, Karen. Man hat Sie durch Tricks davon abgebracht, auf Ihre Seele zu hören. Wissen Sie das?«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Verraten Sie mir eins, Karen, was macht Sie als Person aus? Wo beginnen Sie, und wo hören Sie auf? Dieses Etwas, das Sie sind – ist es eine unsichtbare Seide, die aus Ihren Erinnerungen gesponnen wurde? Ist es ein Geist? Ist es Elektrizität? Was genau ist es? Weiß es, dass in uns allen ein Licht brennt – ein Licht, heller als die Sonne, ein Licht innerhalb unseres Geistes? Weiß die wahre Karen, dass wir, wenn wir nachts schlafen, wenn wir über ein Feld wandern und einen Baum voll schlafender Vögel sehen, wenn wir unseren Freunden kleine Lügen auftischen, wenn wir miteinander schlafen, an unserer Seele herumoperieren? Die Verletzungen, die Heilungen, die Schocks, die in uns stattfinden, deren Ergebnis für uns nicht zu ergründen ist. Aber stellen Sie sich vor, Sie könnten dieses Licht sehen, diese Seelen in uns allen – ob bei Loblaws, auf der Hundewiese, in der Bücherei – all diese Seelen, helle Lichter, die einen vielleicht sogar blenden. Aber sie sind da .«
    Luke verdrehte die Augen. »Für ein Monster führst du ja zuckersüße Reden.«
    Bertis fuhr zu Luke herum. »Sie sind ganz still.« Er wandte sich an Karen. »Karen, ich mag Sie, und heute könnte der Tag sein, an dem Sie endlich aus dem langen Todesschlaf erwachen, der Ihr bisheriges Leben war.«
    »Sie wollen sagen, ich hätte rund vier Jahrzehnte nur geschlafen? Was habe ich denn dann die ganze Zeit über gemacht?«
    »Das weiß ich nicht. Sich mit weltlichen Dingen abgegeben – eher auf Pünktlichkeit als auf die Ewigkeit gesetzt. Ich kann Ihre Seele hören, Karen. Ein ganz klein bisschen, wie ein Haus, das sich leiseknarrend von seinem Fundament löst. In meinem Herzen fühlt es sich an wie dieser Moment im

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