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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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das Faltdach des Autos hinüber zur anderen Seite. »Warten Sie hier.« Er ging zu einem anderen Posten und redete leise mit ihm.
    Die Morgensonne schien schräg durch die staubige Windschutzscheibe auf die Ledersitze. Ich spürte, wie ganz langsam der Schweiß seitlich an meinem Brustkasten hinunterlief.
    Chip legte seine dunkle Hand aufs Armaturenbrett, als wollte er sie an der Sonne wärmen. »Es ist nichts, Sid, nur die Ruhe. Die wollen dich bloß nervös machen. Wahrscheinlich reden sie über irgendwelche Fußballergebnisse.«
    Ich war mir da nicht so sicher. Das Ganze kam mir ziemlich ernst vor. Was war, wenn Ernsts Vater, dieser Scheißkerl, uns offensichtlich gefälschte Papiere gegeben hatte? Zumindest an Hieros Pass musste etwas faul sein, schließlich war der Junge seit Jahren staatenlos. Ich kämpfte gegen den Schluckreiz an.
    Der Posten drehte sich um, legte die Hand über die Augen und spähte zu uns hinüber. Vor unserem Auto, hinter einem niedrigen Wall aus Sandsäcken, die dalagen wie tote Hunde, kauerte ein Soldat an einem schweren Maschinengewehr
und beobachtete uns. Seine Augen lagen im Schatten des Helms.
    Der Posten kam zurück, in der Hand die Papiere, ging in die Knie und sah Hiero lange an. Nur die Ruhe, Mann, dachte ich, lass dich bloß nicht verrückt machen.
    Er gab mir die Papiere mit einem lässigen Nicken zurück, trat weg vom Auto und machte den Soldaten, die am Fahrbahnrand standen, ein Zeichen. Diese gingen zu den spanischen Reitern und schoben sie zur Seite. Der schmächtige von beiden tat sich schwer; man sah ihm an, dass er alle Kraft aufbieten musste.
    Der Posten trat noch weiter zurück und winkte uns durch.
    Es war ein Trick. Sie taten so, als ließen sie uns passieren, und dann schossen sie uns über den Haufen. Im Niemandsland, damit sie keine Verantwortung dafür übernehmen mussten. Sicher war es so, wir hatten schon viele solcher Geschichten gehört. Ich gab zitternd Gas, das Auto fuhr langsam vorbei an staubigen Sandsäcken, vorbei an weiteren mit Stacheldraht bewehrten spanischen Reitern, vorbei an dem MG -Schützen.
    »Ruhig bleiben«, murmelte Chip, »immer schön ruhig.«
    Im Schritttempo fuhren wir hinüber zur anderen Seite. Ein französischer Grenzer trat vor und winkte uns mit beiden Händen. Wir hielten an. Der Junge drehte sich um und starrte nach hinten auf die Deutschen mit ihren Gewehren. »Schau nach vorn, Junge«, knurrte er.
    Auch hier gab es ein Maschinengewehr. Es war etwas erhöht seitlich der Straße montiert, und der Lauf zielte genau auf unsere Windschutzscheibe. Ich spürte, wie sich meine Nackenhaare aufstellten.
    Der Soldat starrte uns so feindselig an, als wollte er uns so
fort wieder zurück über die Grenze nach Deutschland schicken. Seine Augen waren alt, unruhig, erschöpft. Vielleicht hatten sie schon die Gemetzel vor Verdun gesehen – seinem Bauch und seinem grau melierten Schnurrbart nach zu urteilen, war der Mann jedenfalls alt genug.
    »Papiers«, schnarrte er und streckte eine fleischige rote Hand hin.
    Ich fummelte in der Ablage unter dem Armaturenbrett und zog unsere Reisedokumente zum zweiten Mal hervor.
    »Vous-allez où, la? Votre destination?«
    Ich warf Chip einen nervösen Blick zu und sah dann wieder den Franzosen an.
    »You speak English?« Ich bewegte in einer unwillkürlichen Geste die Hand in seine Richtung. Er wich zurück und senkte drohend den Lauf seines Gewehrs.
    »Tes mains – dans la voiture, mains dans la voiture«, bellte er.
    Ich erstarrte. Ich hielt ängstlich die Hände hoch. »Nein, nein, ich wollte gar nicht …«
    Er schüttelte seinen grauen Kopf und gab mir die Papiere zurück. »Non«, sagte er finster. »Non, vous devez retourner. Ce n’est pas correcte, ça.« Er zeigte mit dem Lauf seines Gewehrs in Richtung des deutschen Grenzübergangs und gab uns pantomimisch zu verstehen, dass wir wenden sollten.
    »Nein«, sagte ich, »bitte.«
    »Wir sind Amerikaner «, schrie Chip. Er beugte sich über mich zum Fenster an der Fahrerseite. »Verdammt, wir sind Amerikaner . Wir wollen nach Paris . Kehr bloß nicht um, Sid, auf keinen Fall.«
    Der Grauhaarige sah mich wütend an, als wollte er mich
am liebsten am Kragen aus dem Auto zerren und an die nächstbeste Wand stellen. Ich zitterte.
    »S’il vous plaît«, schrie Chip. »Monsieur, s’il vous plaît. American.« Er packte den Wust Papiere und streckte ihn aus dem Fenster. Der Soldat nahm sie nicht, sondern schüttelte nur den Kopf.
    Ein zweiter Soldat

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