Spieltage
unter dem Arm, und dann habe er in einer irrsinnigen Machtprobe auch noch versucht, die gestandenen Spieler Lameck und Tenhagen zur Seite zu schieben. Bochum stand, wie gewohnt, kurz vor dem Abstieg. Vielleicht würde ihn Ottokar Wüst nach Bochum zurückholen?
Als ihn Jürgen Köper nach dem Tennis wieder in der Bonhoefferstraße absetzte, packte eine starke Hand Heinz Höher und warf ihn gegen die Hauswand. Er spürte den Lauf einer Pistole am Hinterkopf.
Polizei. Hände langsam an die Wand.
Doris, die das Auto gehört hatte, trat vor die Tür und musste laut lachen. Da standen ihr Mann und Jürgen Köper mit erhobenen Händen, Gesichter an der Wand, bewacht von zwei Polizisten mit gezogenen Waffen. Das musste ein guter Scherz sein, wenngleich sie nicht wusste, welcher. Auf einmal bemerkte sie, dass weder ihr Mann noch Jürgen Köper lachte.
Es stellte sich heraus, dass der Bekannte, der Köper den Ferrari überlassen hatte, gerade per Haftbefehl gesucht wurde. Er hatte offenbar einen Ölfrachter kidnappen lassen. Es dauerte einige Minuten, bis Heinz Höher und Jürgen Köper die Polizisten davon überzeugen konnten, dass sie damit nichts zu tun hatten.
In der letzten Aprilwoche 1980 hatte Jürgen Köper wieder Neuigkeiten. Ata Lameck und Jupp Tenhagen hätten vor dem Auswärtsspiel in Frankfurt auf dem Hotelflur getanzt und gesungen: Ole muss weg! Ole muss weg!
Ole war der geheime Spitzname der Mannschaft für Trainer Johannsen. Weil er einen nordischen Nachnamen trug, hatten die Spieler ihm einen nordischen Vornamen verpasst.
Das Spiel gegen Eintracht Frankfurt gewann der VfL 1:0, es war der Schritt eines Giganten zum Bundesligaerhalt. Jetzt würde Wüst Johannsen niemals entlassen, da konnten die Spieler singen und tanzen, wie sie wollten. Es war doch sowieso Wüsts Maxime, einen Trainer nie zu entlassen. So wie er einst gedacht hatte, niemals entlassen zu werden.
Die Saison endete, Bochum vermied den Abstieg, Duisburg unter seinem Nachfolger Friedhelm Wenzlaff rettete sich ebenfalls, und niemand interessierte sich für Heinz Höhers Dienste. Er glaubte, es müsse daran liegen, dass er Duisburgs Präsidenten Märzheuser angeschrien hatte, im Übrigen habe ich das Gespräch aufgezeichnet! So etwas musste sich in der Bundesliga herumsprechen, so einen Trainer würden die anderen Präsidenten als bedrohlich empfinden. In Momenten, wenn er ehrlich mit sich war, zog Heinz Höher auch in Betracht, dass er vielleicht die Spieler in Duisburg zu kühl behandelt hatte. Es wurde mittlerweile offenbar erwartet, dass ein Trainer in der Bundesliga genau wie ein Lehrer in der Schule die Dinge erklärte und nicht nur vorgab. Aber da war immer eine Barriere in ihm, wenn er mit anderen sprach.
Er konnte seine Anweisungen den Spielern analytisch darlegen – wir stellen die Mitte und den rechten Flügel zu, so leiten wir den Gegner bei seinen Angriffen, ohne dass er es merkt, immer auf den linken, seinen schwächeren Flügel, und dort schlagen wir zu. Wenn er dagegen merkte, ein Spieler wollte nur mal ein nettes Wort hören, kam er nicht über die Barriere hinweg. Sein Hals wurde trocken. Aber, sagte er sich abrupt, wer in der Bundesliga spielen wolle, müsse ja wohl ohne Zuspruch zurechtkommen, wer es in die Bundesliga geschafft hatte, dem musste man doch nichts erklären.
Er fühlte sich arbeitsreif und fuhr in den Urlaub. Die Bretagne hatten sie sich ausgesucht, Doris’ Schwester Helga kam mit ihrem Sohn Lutz auch mit. Es regnete jeden Tag. Das war zu befürchten gewesen, sie waren früh dran, Juni, aber sie mussten so früh im Sommer fahren, im Juli begannen die Bundesligisten mit der Saisonvorbereitung, dann hatte Heinz Höher vielleicht schon eine neue Arbeit. Als sich endlich einmal die Sonne zeigte, schnitt sich Thomas am Strand an einer Scherbe den Fuß auf. Sie verbrachten den schönen Tag im Krankenhaus.
An ihrem letzten Urlaubssonntag fand im Dorf das lokale Weinfest unter riesigen Sonnenschirmen statt, die schon wieder nur den Regen abhalten sollten. Abends stand in Rom das Finale der Europameisterschaft 1980 zwischen Deutschland und Belgien an. Sein Kapitän in Duisburg, Bernard Dietz, war Deutschlands Kapitän. Heinz Höher ging alleine auf das bretonische Weinfest. Er mochte Wein nicht besonders. Aber er fing mal zu trinken an, was sollte er sonst bei dem Wetter tun.
Wenn er es sich recht überlegte, schmeckten Bier und Schnaps auch nicht. Eine Apfelschorle mundete mehr als jedes alkoholische Getränk.
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