Spieltage
noch immer besser, als zu Hause zu sitzen und auf einen neuen Job in der Bundesliga zu warten. Aber, das wurde ihm in Piräus klar: Das Warten auf den nächsten Job in der Bundesliga nahm eine große Zeit im Leben fast jedes Bundesligatrainers ein.
Paul Kortmann, der alte Spielausschussobmann des VfL, besuchte ihn in Griechenland. Sie mussten Kortmanns Frau in Bochum anrufen, um zu fragen, ob man Kartoffeln direkt ins Wasser warf oder wartete, bis das Wasser kochte.
Als sich Benno Beiroth, der Spielausschussvorsitzende von Fortuna Düsseldorf, am 3. Dezember 1980 meldete, um einfach mal zu hören, ob eine Rückkehr von Höher in die Bundesliga nach der Winterpause vorstellbar sei, sagte ihm Heinz Höher, er könne auch morgen in Düsseldorf anfangen. Es gebe keinen Vertrag mit Ethnikos. Zwei Tage später war sein ewiger Weggefährte Otto Rehhagel in Düsseldorf entlassen, der sechste Verein in acht Jahren lag hinter Rehhagel. Heinz Höher leitete das erste Training in Düsseldorf im eigenen Adidas-Trainingsanzug, obwohl Fortuna von Puma ausgerüstet wurde. Niemand störten solche Details, es ging halt alles etwas schnell. Nachdem er Fortuna am 13. Dezember im letzten Spiel vor der Winterpause betreut hatte, würde Heinz Höher auch noch einmal nach Piräus zurückkehren, um in den deutschen Weihnachtsferien kurz Ethnikos weiterzutrainieren. Er wollte sicherstellen, dass er sein restliches, nur mündlich vereinbartes Gehalt in Griechenland erhielt.
Im Keller von Fortunas Geschäftsstelle am Flinger Broich stand ein Löwe. Er war lebensgroß, wenngleich aus Pappe. Eine Werbeagentur hatte ihn herstellen und einige Male Samstag im Stadion aufstellen lassen, denn Fortuna brauchte ein neues, tollkühneres Image. Aber schnell hatten die Werbeexperten erkennen müssen, dass zur Fortuna mit einem Papplöwen auch nur 10000 Zuschauer kamen. Man tat sich alltäglichen Bundesligafußball in Düsseldorf lieber nicht an.
Fortuna war ein spezieller Fall. Der kleine Nachbar, die Borussia aus Mönchengladbach, hatte ihr viele Zuschauer geklaut, und das Klischee, das Düsseldorf von sich selbst zeichnete, glaubten viele Düsseldorfer offenbar erfüllen zu müssen: Sie seien eine Stadt der Mode, des Theaters und allenfalls des rasanten Eishockeys, nicht des unkultivierten Fußballs. Tendenziell jedoch war die Fortuna nur ein Beispiel für die ganze Fußballrepublik diesseits der famosen Siebziger: Fast jeder Junge spielte in einem Fußballverein, die Mehrheit der Männer schaute die Bundesliga im Fernsehen. Aber immer weniger gingen ins Stadion. 1977, sechs Jahre nach dem Bestechungsskandal, gepusht von den internationalen Erfolgen der Generation Beckenbauer, hatten die Zuschauerzahlen mit 27600 Besuchern im Schnitt wieder das Niveau des ersten Bundesligajahrs 1963 erreicht. Seitdem sanken sie Saison für Saison beständig. 1981 kamen noch 21800 pro Spiel. Das waren 1,75 Millionen weniger verkaufte Eintrittskarten als vier Jahre zuvor. In einem fußballbegeisterten Land war die Fußballbundesliga etwas Virtuelles geworden: etwas, was sehr viele noch beschäftigte, was sie aber nicht mehr greifen, fühlen, riechen konnten, weil sie es nur noch indirekt über die Medien wahrnahmen.
Bequemlichkeit war wohl ein gewichtigerer Grund als Verdruss für das Ausbleiben des weniger fanatischen Teils des Publikums. Warum im Stadion frieren, wenn die Sportschau den Fußball ins Wohnzimmer brachte? Ein Gefühl breitete sich aus: Das Stadion nahmen sich die Barbaren.
Beim DFB-Pokalspiel der Fortuna gegen Borussia Dortmund im November 1980 musste die Kaiserswerther Straße für 15 Minuten gesperrt werden. Eine Straßenbahn stand in Flammen. Die Borussenfront hatte sie angezündet. Vor dem Anpfiff, denn wer brauchte noch das Ergebnis als Ausrede für eine Prügelei, schlug Fortuna-Terror zurück. Gut hundert Jugendliche lieferten sich eine Massenschlägerei. In jedem Bundesligastadion hatte sich eine neue Jugendbewegung formiert, die Hooligans. Während ihre Väter aus Abscheu vor der samstäglichen Gewalt das Stadion mieden, sahen die elf- oder zwölfjährigen Jugendspieler der Amateurvereine, die mal alleine ins Bundesligastadion gekommen waren, interessiert zu, wie sich die Hooligans mit Gürteln prügelten und mit Leuchtmunition beschossen. Das Wegbleiben der Väter wie das Zusehen der Kinder hatte etwas Selbstverständliches: So war es eben beim Fußball.
Auch auf dem Rasen nahm die Körperlichkeit weiter zu. Ein neuer Trainertyp hielt in
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