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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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der Bundesliga Einzug: der Fitnesscoach. In Duisburg hatte Heinz Höher den ehemaligen deutschen Meister im Hindernislauf, Claus Brosius, viele Trainingselemente gestalten lassen, laufen, springen, Gewichte stemmen. Athletik wurde die deutsche Besessenheit. Muskeln gewannen Spiele, man sah doch, wer den Europacup dominierte, die Engländer und die Deutschen, die großen, harten Kerle. Im UEFA-Cup-Halbfinale 1980 standen vier deutsche Klubs.
    Durch die neuen Muskeln wurde vor allem die Verteidigung stärker. Viele Bundesligamannschaften agierten nun mit fünf Abwehrspielern, nahezu alle nur noch mit zwei Stürmern. Mit preußischer Verlässlichkeit wurde bewacht und zerstört, immer hart am Mann.
    Die Ajax-Idee vom totalen Spiel, vom rauschenden Angriff mit drei Stürmern verschwand aus der Bundesliga. Die Apostel der deutschen Siebzigerjahre-Eleganz traten nach und nach ab, Netzer, Grabowski, Heynckes. Das blonde Haar von Bernd Schuster wehte schon in der Ferne, beim FC Barcelona. Die Minidauerwelle eroberte die Bundesliga. War Hässlichkeit die neue Schönheit?
    In Fortunas Mannschaft erwarteten Heinz Höher zwölf Schnauzbärte. Sein Auftrag war der altbekannte, den Abstieg vermeiden. Unter Rehhagel war die Fortuna mit 6:0 Punkten furios in die Saison gestartet und dann bis zum 16. Spieltag auf einen Abstiegsrang zurückgefallen, sodass gegen Nürnberg nur noch 5300 Zuschauer erschienen und, viel schlimmer, danach nur vier von 21 Fortuna-Spielern zum traditionellen Martinsgans-Essen bei Bert Rudolph in den Benrather Hof kamen. Gab es ein bedenklicheres Bild des Verfalls?
    Für Heinz Höher war die zerfahrene Situation eine recht ordentliche Ausgangslage. Wenn eine Mannschaft darbt, hat ein neuer Trainer gute Chancen, als heilende Kraft akzeptiert zu werden, allein schon, weil er neu ist, weil alles Neue die Hoffnung auf Änderung birgt. Nach Heinz Höhers zweitem Spiel, als in Mönchengladbach der 18-jährige Bundesligafrischling Lothar Matthäus Fortunas Stürmer Klaus Allofs nie in den Griff bekam, war die Fortuna den Abstiegsrängen entflohen und sollte sie in der Saison nicht mehr wiedersehen. Heinz Höher machte den defensiven Mittelfeldspieler Rüdiger Wenzel zum Stürmer, den Ersatzangreifer Ralf Dusend zum defensiven Stammspieler, er führte die Raumdeckung ein, er brachte neue Übungen ins Training, und es geschahen keine Wunder, aber es aktivierte eine im Misserfolg erstarrte Mannschaft.
    In Duisburg hatten die Spieler über seine Stille geschimpft, in Düsseldorf empfanden sie ihn als angenehm ruhig. »Herr Höher überträgt seine sachliche Art«, erklärte Torwart Jörg Daniel den Sportjournalisten. »Sie spricht mich vielleicht mehr an als die anderen, weil ich als Trainer wohl selbst so sein würde.«
    Im Vorstand waren sie erleichtert, den richtigen Trainer erwischt zu haben. Zum Rehhagel, erzählte Benno Beiroth Heinz Höher, habe er gesagt, komm, jetzt machen wir mal eine Flasche Rotwein auf – und dann musste er die Flasche ganz alleine trinken, weil der Rehhagel nur an seinem Glas nippte! Das war mit Heinz Höher ein ganz anderes Zusammensein. Heinz Höher lachte über die Anekdote vom Wein und fragte sich nicht, was sie über ihn erzählen würden, falls er einmal gehen musste.
    Aber wer redete schon vom Gehen, Heinz Höher musste selbstverständlich seinen Vertrag über den Sommer hinaus verlängern. »Heinz Höher ist in Düsseldorf seinem Ruf als Tüftler gerecht geworden«, schrieb die Rheinische Post nach hundert Tagen Höher: »Er lässt sich etwas einfallen, um die Gegner zu verblüffen. Die Zwischenbilanz mit 9:7 Punkten kann sich sehen lassen.«
    Aber das Stadion blieb, im besten Fall, halb leer. 18000 kamen zum 2:2 gegen Borussia Dortmund. Es war die Rekordkulisse in Heinz Höhers Anfangsmonaten. Schätzungsweise 3000 bis 5000 waren Dortmund-Fans.
    Die Düsseldorfer rennen nur dem Großen hinterher, sagte ihm Geschäftsführer Werner Faßbender. Er müsse es wissen, fügte Faßbender an, er sei doch selbst einer.
    Sie standen sonntags bei den Spielen der A-Jugend oder Amateurelf zusammen, neben ihnen wältze sich Clemens im Schlamm, und Heinz Höher hatte damit zu kämpfen, dass ihn sein zotteliger Bobtail nicht schmutzig machte.
    Diese Pokalendspiele, zwitscherte Faßbender weiter in seinem rheinischen Singsang, das war was für die Düsseldorfer gewesen.
    Dreimal in Folge hatte Fortuna von 1978 bis ’80 das DFB-Pokalfinale bestritten, zweimal gewonnen und im Mai 1979 in Basel im

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