Spieltage
des BR an. Ja, ja, Schmelzer, Präsident vom 1. FC Nürnberg, das könne ja jeder sagen, sagte der Pförtner. Über einige Umwege drang Schmelzer schließlich zu Thurn und Taxis vor. Er habe in Nürnberg gerade so eine Sache laufen, die er klären müsse, sagte Schmelzer.
Danach rief er sofort einige Spieler an, mit denen er vertraut war. Horst Weyerich war nicht zu Hause. Andere wussten nichts von dem Brief.
Eine der ersten Fragen, die Schmelzer durch den Kopf schoss, war: Steckte der Roth dahinter? Michael A. Roth, Teppichgroßhändler, war zehn Monate zuvor aus freien Stücken als Präsident des Clubs zurückgetreten, er hatte seinen Nachfolger Schmelzer ins Präsidium geholt. Aber damit schien eine Rivalität zwischen den beiden erst entstanden zu sein. Wer war der wahre, bessere, schönere Präsident des 1. FC Nürnberg? In zwei Tagen musste Gerd Schmelzer auf der Jahreshauptversammlung Rechenschaft ablegen. Plante Roth seinen Sturz?
Heinz Höher rief wie versprochen Wolfgang Haala von der Nürnberger Zeitung zurück. »Ich weiß, woher der Wind weht: Das ist ein Aufstand bequemer Spieler, die weniger hart und weniger oft trainieren wollen«, sagte er, das habe sicher Udo Horsmann ausgeheckt. Mit dem liege er seit Wochen im Clinch. Der wolle, dass die Elf Altherrenfußball spiele, um seine eigenen Schwächen zu übertünchen. Und was den Vorwurf mangelnder Gespräche angehe, so habe er vor Saisonbeginn zur Mannschaft gesagt: »Ich mache es euch leicht, ich rede nicht viel. Aber das wenige, das müsst ihr auch behalten und auf dem Spielfeld umsetzen.« Als er aufgelegt hatte, fühlte Heinz Höher, dass er nichts mehr tun konnte, nur noch warten.
Am Dienstagmorgen sah Rudi Kargus auf dem Weg zum Training sein eigenes Gesicht und erschrak. Sein Porträt hing wie auf einem Fahndungsplakat neben den Köpfen der anderen vier Briefschreiber an den Zeitungskästen der Boulevardblätter. Rebellion beim Club!, tönten die Schlagzeilen.
Als sie den Brief formuliert hatten, wussten sie, dass sie Ärger bekommen würden. Aber es theoretisch zu wissen war eine Sache, die Auswirkungen nun zu erleben eine andere.
Vorstopper Roland Grahammer las beim Frühstück die Zeitung und war verblüfft. Was war das für ein Brief? Davon war im Dolce Vita nicht die Rede gewesen.
In der Umkleidekabine wunderte sich Rudi Kargus. Wo waren all die anderen? Nur vier Spieler fanden sich ein. Just jene, die den Brief formuliert hatten. Der fünfte Briefschreiber, Thomas Brunner, hatte sich verletzt abgemeldet. Er habe sich einen Muskel gezerrt, als er beim Waldlauf einem Hund auswich.
Manager Manfred Müller erschien in der Umkleidekabine. Die vier gingen heute mit ihm in den Wald laufen. Damit sie den Kopf wieder freibekamen. Als Trainingskleidung hatte der Betreuer den vieren Regenjacken aus der Vorsaison ausgelegt. Auf den Jacken prangte noch die alte Werbung für ARO, den Teppichhandel von Michael A. Roth. Falls ein Zeitungsfotograf sie beim Waldlauf ablichtete, sollten die vier gebrandmarkt sein: Sie liefen für Roth.
Wo waren die anderen Spieler?
Präsident Gerd Schmelzer saß mit Vizepräsident Sven Oberhof und Schatzmeister Peter Karg seit neun Uhr in seinem Büro auf der Geschäftsstelle. Einer nach dem anderen mussten die Spieler zum Rapport antreten.
In der Gruppe im Dolce Vita waren sie absolut überzeugt gewesen, im Recht zu sein. Alleine vor dem Präsidium, sahen die meisten Spieler die Situation plötzlich differenzierter. Sie waren immer noch der Meinung, dass sich die Zusammenarbeit mit dem Trainer äußerst schwierig gestaltete, aber, natürlich, sie konnten nicht als Spieler den Trainer in der Öffentlichkeit anprangern, das war ein Fehler gewesen.
Nach dem Waldlauf, Manfred Müller hatte sie hoffentlich richtig müde gelaufen, damit sie nicht mehr so widerspenstig waren, kamen die vier Briefschreiber an die Reihe. Einzeln traten sie vor das Präsidium.
Wenn Gerd Schmelzer spazieren ging oder Fahrrad fuhr, wenn er sich entspannte, bekam er öfter Zweifel an seinen Urteilen, die Gedanken nahmen ihn in Geiselhaft und drehten sich. Doch wenn in Stresssituationen Entscheidungen von ihm verlangt wurden, konnte er die Dinge klar und strategisch sehen. Er hatte keinen Plan, was er mit den Briefschreibern tun würde. Er wusste nur, er durfte ihnen nicht nachgeben. Ein Verein durfte sich nicht von Spielern eine Trainerentlassung oder sonstige Maßnahmen vorschreiben lassen – und schon gar nicht öffentlich.
Horst, sagte
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