Spieltage
Schmelzer. Er duzte sich mit Horst Weyerich, sie hatten schon öfter ein Bier zusammen getrunken. Du wirst doch einsehen, dass es so nicht geht, ihr müsst die Anschuldigungen zurücknehmen und euch in aller Form entschuldigen, dann bringen wir das irgendwie aus der Welt.
Aber Weyerich verschränkte die Arme. Einer nach dem anderen sagte, dass sie nichts zurücknehmen konnten, weil alles stimmte, was in dem Brief stand. Heinz Höher müsse sich ändern. Oder er müsse, noch besser, gehen. Aber das sprachen sie nicht aus.
Die Briefschreiber wurden vom regulären Training am Nachmittag ausgeschlossen. Das können wir uns nicht bieten lassen, riefen die anderen Spieler, schon in der Umkleidekabine: Die vier haben für uns alle geredet. Ein paar wie Manfred Walz oder Detlef Krella, 23 Jahre jung, heizten den Zögerlichen ein, das Gruppengefühl war wieder da: Niemand zieht sich um. Wir boykottieren das Training aus Solidarität mit den Verstoßenen.
Gerd Schmelzer rief einen Krisenstab ein. In 28 Stunden stand die Jahreshauptversammlung an, er durfte keine Alleingänge starten, die ihm dann um die Ohren fliegen würden. Weitere Präsidiumsmitglieder, auch der Ehrenpräsident, trafen am Valznerweiher ein. Heinz Höher stand wie ein Fremdkörper zwischen ihnen. Das Präsidentenbüro wurde zu klein. Sie zogen sich ins Hinterzimmer des Vereinslokals Stuhlfauth-Stuben zurück. Die Küche wurde die Flüsterstube für die vertrauensvollen Gespräche.
Gerd, wegen unserer Freundschaft musst du nicht zu mir stehen, sagte Heinz Höher dort zu Schmelzer. Sie duzten sich erst seit wenigen Wochen.
Der Präsident hätte Heinz Höher gerne eine gescheuert. Ihm lief – Verzeihung – die Scheiße aus den Stiefeln, und der Heinz fing wieder einmal mit seinen psychologischen Spielchen an, um sich Liebe und Bestätigung abzuholen.
Gerd Schmelzer tat, als hätte er die Bemerkung nicht gehört. Den Satz, nach dem sich Heinz Höher sehnte, hörte er die ganze Zeit nicht von seinem Präsidenten: Du bleibst auf jeden Fall mein Trainer.
Auf der anderen Seite der Wand, in den Stuhlfauth-Stuben, warteten die Journalisten seit zwölf Uhr, schon über sieben Stunden.
Gerd Schmelzer rief einige Spieler noch einmal an, er rief die Eltern der jungen Spieler an, er dramatisierte, er spielte Theater, es nahm ihm etwas vom Druck. Sind Sie sich überhaupt im Klaren, rief er dem Vater von Roland Grahammer durch das Telefon zu, in was Ihr Sohn da reinschlittert, wenn er das Training boykottiert: Das ist Arbeitsverweigerung, da gibt es einen Prozess beim DFB, und dann ist es vorbei mit dem Fußball, er wird lebenslang gesperrt, und all das nur, weil ihm so ein paar alte, faule Hunde, denen das Training zu hart ist, den Kopf verdreht haben, wer hat ihm überhaupt den Floh ins Ohr gesetzt, der Horsmann, der Sack, oder was?
Aber nichts bewegte sich.
Wenn die Spieler hart bleiben, müssen wir härtere Maßnahmen ergreifen, sagte Gerd Schmelzer dem Krisenstab am Dienstag, es war Abend geworden. Die anderen nickten. Gerd Schmelzer wählte noch einmal zwei Telefonnummern. Er teilte Udo Horsmann und Stefan Lottermann mit, dass sie fristlos entlassen waren.
Horsmann als Kapitän hatte zwangsläufig das Wort geführt. Lottermann, der an seiner Doktorarbeit in Sportwissenschaften schrieb, erschien dem Präsidium und Heinz Höher als der ideologische Vater des Briefs. Tatsächlich hatte niemand in der Mannschaft das Gefühl, es gebe Rädelsführer. Horsmann wurde von praktisch allen in der Mannschaft geschätzt, er hatte mit dem FC Bayern in den Siebzigern Europapokale gewonnen und betrachtete mit 32 die Aufregungen des Profialltags mit einem wohltuenden Abstand. Lottermann, der Professor für die Mitspieler, hatte durchaus des Öfteren ein inneres Seufzen bei den Kollegen ausgelöst, wenn er wieder einmal in der Umkleidekabine dozierte. Aber die fachlichen Vorwürfe gegen Höher waren nicht nur von ihm gekommen; er hatte nur formuliert, was eine Mehrheit in der Mannschaft fühlte.
Am Mittwochmorgen erschienen nur fünf Spieler zum Training. Einer von ihnen war Dieter Eckstein. Er hatte als Einziger sofort gesagt, wenn es gegen den Trainer gehe, mache er nicht mit. Dieter Eckstein fühlte, dass Heinz Höher sein Trainer war. So viele wollten nicht glauben, dass in ihm ein Profifußballer steckte. Heinz Höher hatte ihn zu einem gemacht.
Mit dem üblichen Dutzend Fußbällen, aber nur fünf Spielern schritt Heinz Höher über den matschigen Weg zu den
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