Spieltage
sofort die Schuld auf den Trainer oder dem Manager abzuwälzen, um die eigene zu ertragen.
Heinz Höher setzte sich beim Frühstück im Hotel Dragonara alleine an einen Tisch. Der Orangensaft war frisch gepresst. Er grüßte nicht mehr die Spieler, die Journalisten, den Trainer. Beim Training wanderte er um den Sportplatz herum. Dann verschwand er für den Rest des Tages.
Er ging am Meer spazieren, er erkundete das Zentrum von La Valetta, besuchte ein Gasthaus, trank, allein an der Bar, zwei Bier, keinen Klaren. Er hatte, seit er Manager war, darauf geachtet, wenig zu trinken. Das Trinken passte nicht zu seinem Bild von einem Manager, es wurde ihm sowieso schon zu viel geredet, der Höher verträgt einiges. Nun aber sah ihn doch niemand. Er ging noch in eine Bar und trank zwei Bier, keinen Klaren.
Er hatte sich einen Plan für das Vertragsgespräch mit Nationalspieler Schwabl ausgedacht, er würde sich weder von Schwabl noch von den Journalisten zur Eile antreiben, sich vorschreiben lassen, wann er mit wem redete. Er würde mit dem Gespräch bis Mittwoch warten, wenn auf Malta der Abwehrspieler Uli Bayerschmidt eintraf, den er von Bayern München ausgeliehen hatte. Bayerschmidt sollte Schwabl erzählen, wie schwer es junge Spieler beim FC Bayern hatten, Bayerschmidt sollte Schwabl vor Augen halten, wie gut er es in Nürnberg hatte. Das war sein Plan, aber das verstanden die Journalisten und Schwabl natürlich nicht.
Die Wut in ihm verlor ihr konkretes Ziel. Da war nur ein grundsätzlicher, allumfassender Zorn, er rief Gerd Schmelzer an und berichtete, was für einen Unsinn Gerland im Training veranstaltete, er musste dem Präsidenten doch Bericht erstatten. Er unterhielt sich mit den ersten der sieben Spieler über ihre Pläne, wenn ihre Verträge im Sommer ausliefen, sagte ihnen aber nicht, was er mit ihnen vorhatte. Den Trainer fragte er nicht, welche Spieler er halten oder verkaufen wolle. Er hatte keine Lust, mit dem Trainer zu reden. Das ging doch alles überhaupt nicht mehr, was Gerland hier machte, den Stürmer Rudi Stenzel zum Abwehrspieler umschulen, die ganze Lauferei zu diesem Zeitpunkt der Vorbereitung, Heinz Höher schrie es heraus, allein mit dem Spielausschussobmann Christian Schmid im Hotel, während die Mannschaft trainierte.
Schmid war sein letzter Getreuer. Doch selbst der Obmann rannte kopfschüttelnd aus dem Hotel. Der Heinz soll endlich den Hermann in Ruhe lassen, dachte sich Schmid und lief schnurstracks auf den Trainingsplatz. Herr Höher habe im Hotel einen Wutanfall bekommen, erzählte Schmid Gerland. Eine Trainingsübung lief, Trainer Gerland stand mitten auf dem Rasen und brüllte: »Der soll mir jetzt endlich den Buckel runterrutschen! Dieser Griesgram kann sich ja selbst nicht leiden.«
Am Abend versammelte Heinz Höher die Mannschaft in einem Tagungsraum des Hotels Dragonara. Ich bin wieder da, sagte er den Spielern. Fortan werde er genau hinschauen, wer wie spiele, und du, fuhr er Manfred Schwabl an, wer glaubst du, dass du bist, der Pressesprecher, oder was? Heinz Höhers Rede hatte erst begonnen.
Eine halbe Stunde später verließ Manfred Schwabl mit geballten Fäusten und Tränen in den Augen den Versammlungsraum. Hermann Gerland begegnete ihm auf dem Hotelflur. Heinz Höher hatte dem Trainer nichts von der Mannschaftssitzung gesagt. Gerland lief zu Höher, seit Monaten versuchte er, die Missstimmungen des Managers zu ertragen, auszusitzen, aber jetzt reichte es, Herr Höher, wir müssen reden. »Nicht jetzt«, sagte Heinz Höher. »Du bist zu aufgeregt, Hermann.« Und er verschwand in der Nacht.
Wenn Herr Höher patzig sein will, kann ich es auch, sagte sich Hermann Gerland. Er würde nicht mehr mit dem Manager reden.
Viele in der Mannschaft, wie Rudi Stenzel, hatten bislang den Eindruck gehabt, der Manager und der Trainer stünden einig zusammen, alte Bochumer Freunde. Mit eisigem Blick, ohne ein Wort miteinander zu wechseln, begegneten sich Heinz Höher und Hermann Gerland fortan jeden Morgen beim Frühstück im Hotel Dragonara, wo es neben frisch gepresstem Orangensaft die köstlichsten süßen Gebäcke gab. Gerland rief seine Frau an. Ich glaube, Höher oder ich, einer von uns fliegt raus, sagte er. Vielleicht auch wir beide.
Präsident Schmelzer saß in Nürnberg und las im Sportteil der Nürnberger Zeitungen täglich Berichte von der Front. Am Freitag, nach einer Woche Trainingslager, war der Aufmacher in den Nürnberger Nachrichten rot umrandet. Die Überschrift
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