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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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in die Vereinsarbeit einzubinden; wenn er als erfahrener Bundesligatrainer sich denn überhaupt vorstellen könne, im Nachwuchsbereich eines bescheidenen Zweitligisten zu wirken. Er könnte ihm eventuell die Reservemannschaft anbieten. Das war der beste Posten nach dem Profitrainer. Nein, sagte Heinz Höher, er wolle die D-Jugend.
    Die D-Jugend? Aber Entschuldigung, wir können nicht so einen qualifizierten Mann einstellen und ihn dann zu den Zwölfjährigen stecken. Nehmen Sie wenigstens die A-Jugend, die spielt in der Jugendbundesliga.
    Er übernehme die A-Jugend, wenn er gleichzeitig auch die D-Jugend bekomme, sagte Heinz Höher. Er habe einen Traum.
    Helmut Hack wollte ihn nicht davon abhalten, sich mit Mannschaften unter seinem Wert abzugeben, wenn Heinz Höher dies Träumen nannte. Er reichte Heinz Höher die Hand.
    Eine Sache noch, sagte Helmut Hack. Sie arbeiten nun mit Kindern und Jugendlichen, Herr Höher. Kommen Sie bitte nie angetrunken zur Arbeit. Sonst muss ich Sie rauswerfen.
    Heinz Höher tat empört. Er hatte Disziplin. Er trank nie vor dem Training.
    Er trainierte auf einem Fußballplatz, der Sportpark Ziegelstein hieß und an dem nur eine Fahne wehte, die blaue Werbeflagge des Eiscremeherstellers an der Tür zum Vereinsheim. Der Sportpark lag direkt unter der Einflugschneise des Flughafens Nürnberg, aber meistens hörte man nur die Vögel. Es landete oder startete nur alle Weile ein Flugzeug in Nürnberg. Bei schlechtem Wetter lief Heinz Höher mit der D-Jugend der Spielvereinigung Greuther Fürth ans Ende eines Waldweges, um auf dem Aschenplatz des DJK Berufsfeuerwehr Franken Concordia zu trainieren. Mit orange-weißen Plastikhütchen steckte er drei Tore auf einer Linie nebeneinander ab. Vor den Toren spielten die Jungen drei gegen drei gegeneinander. Die drei Tore waren leer, aber hinter ihnen lief ein siebter Junge. Ein Treffer zählte nur, wenn der siebte Junge nicht hinter dem betreffenden Tor war. So trainierte der siebte Junge, ohne es zu merken, das kurze Antreten und abrupte Abbremsen, weil er immer hinter den Toren hin- und hersprintete, um Treffer zu verhindern. Die anderen schulten den schnellen Richtungswechsel im Spiel mit dem Ball, weil sie Knall auf Fall ein anderes Tor anvisieren mussten. Heinz Höher erfand wieder Trainingsübungen.
    An manchen Tagen fuhr er auf drei Sportplätze. Neben der Fürther A- und D-Jugend sowie den Jungen aus Reinhold Hintermaiers Fußballschule trainierte er noch eine Mannschaft geistig und körperlich behinderter Sportler. Eine Richterin hatte ihm die Elf verschafft. Heinz Höher war zu 250 Stunden Sozialarbeit verurteilt worden. Ein Freund hatte ihm mit einem kleinen Trick helfen wollen. Der Freund hatte eine Immobilie gekauft und Heinz Höher als Makler angegeben, um ihm ein fingiertes Maklerhonorar von 450000 Mark zuzuschustern; Geld, das sonst nur die Steuer geschluckt hätte. Leider fand es das Finanzamt etwas zu auffällig, dass Heinz Höher, der schon lange nicht mehr als Makler tätig war, plötzlich Provisionen in solcher Höhe kassierte. Heinz Höher war schnell geständig. Die Richterin wusste nicht, welchen Gefallen sie ihm mit ihrer Strafe tat. Mit seinen vier Mannschaften war er jeden Tag vom Mittag bis zum frühen Abend auf dem Fußballplatz beschäftigt. Er lernte wieder, glücklich zu sein.
    Abends, zur Belohnung, ging er in ein Nürnberger Gasthaus, jeden Tag suchte er sich eine andere Kneipe aus. Indem er nie in dasselbe Lokal ging, wollte er vor den Leuten und sich selbst den Glauben aufrechterhalten, er sei kein Säufer. Die zwei Bier und der Klare schmeckten anders als noch vor einem Jahr. Die Zufriedenheit am Ende eines vollbrachten Arbeitstags gab den Getränken einen volleren Geschmack. Auch Doris war mit ihm zufrieden. Er trank nur seine zwei Belohnungsbier und den einen Klaren am Abend. Das war fast schon gar nichts.
    Morgens ging er gleich mit dem Hund in den Volkspark Marienberg spazieren. In Gedanken war er auch hier Trainer. Der Anblick eines Wegs, einen kleinen Hügel hinauf und sofort wieder hinunter, ließ ihn euphorisch werden. Dort konnte er mit seinen Jungs ideal Intervallläufe bestreiten. Er stand auf der Lichtung vor dem See und träumte, wie er mit seiner jungen Club-Mannschaft von 1985 im Gras Steigerungsläufe absolvieren würde, Reuter, Grahammer, Dorfner, Eckstein, alle Mann nebeneinander in den roten Trainingsshirts, sie würde die ganze Lichtung ausfüllen und dann, die Morgensonne im Rücken, auf ihn

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