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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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nicht reichte, riefen sie gerne auch die Extrainer an, die hatten immer einen guten Spruch drauf; die mussten sich doch für einen neuen Job über die Medien positionieren. »Da sucht der Club ganz Deutschland ab, um irgendeinen Assistenten zu finden, der ihnen den Trainer macht, während einer der besten deutschen Trainer nicht mal fünf Kilometer vom Valznerweiher entfernt wohnt. Da frage ich mich, was das für eine Strategie ist«, sagte Heinz Höher der Abendzeitung. Wenn er am nächsten Tag das Interview in der Zeitung sah, mit einem alten Porträtfoto von ihm in seinen besten Jahren als Club-Trainer, dachte er, vielleicht wird ja doch noch einmal jemand auf mich aufmerksam.
    Zurück zum Fußball brachte ihn dann sein Friseur. Toni, der Wert darauf legte, den namhaften Kunden in seinem Salon im Stadtteil Sankt Jobst selbst die Haare zu stutzen, verfügte über die wichtigste Qualität eines Friseurs: Er kam mit allen gut aus. Auf seinen Friseurstuhl setzte sich Heinz Höher genauso wie Reinhold Hintermaier, der als Spieler von Höher aus Nürnberg weggeschickt worden war. Toni redete mit allen über alle. Schließlich blieb auch im Zeitalter des Privatfernsehens und der Handys eine der wichtigsten Informationsquellen noch immer der Friseur.
    Könne er nicht etwas für den Heinz Höher tun, dem gehe es gesundheitlich und finanziell gar nicht gut, flötete Toni, während er Hintermaier die mit 42 Jahren nicht mehr ganz so langen Haare trimmte. Auch die modernen Bundesligaprofis trugen zum ersten Mal seit den Sechzigern die Haare im Nacken wieder kurz.
    Von Herrn Höher wolle er nichts mehr wissen, der habe ihn damals beim Club rausgeworfen, antwortete Hintermaier.
    1984, in Heinz Höhers erstem Jahr in Nürnberg, hatte Hintermaier, der österreichische Nationalspieler mit südländischem Teint, nach einem Beinbruch um seine alte Hauptrolle gekämpft. Nach außen zeigte Hintermaier stets beste Umgangsformen, und hinter den Kulissen gab es Reibereien, Fußball bestand aus Konflikten, gerade auch im eigenen Team, immer ging es um Macht, um Positionen, so hatte Hintermaier den Fußball in den Achtzigern kennengelernt. Das war Heinz Höher zu anstrengend, so einen schickte er lieber weg, als die Spannungen in Aggressivität im Spiel zu verwandeln.
    Aber als Toni drei- oder viermal geflötet hatte, dem Heinz Höher gehe es gar nicht gut, er gehe auch schon ganz gebeugt, dachte Reinhold Hintermaier daran, die Vergangenheit zu vergessen. Es lag doch schon fast vierzehn Jahre zurück, dass Herr Höher ihn aus dem Club verjagt hatte. Und als Trainer hatte Herr Höher, egal, was menschlich vorgefallen war, seine Kompetenz. Im Spätherbst 1997 lud ihn Reinhold Hintermaier ein, in seiner privaten Fußballschule eine Gruppe Kinder zu trainieren.
    Noch zehn Jahre zuvor hätten die Kinder gar keine Zeit gehabt, in eine private Fußballschule zu gehen. Sie waren den ganzen Nachmittag damit beschäftigt gewesen, auf der Straße Fußball zu spielen. Nun, da der Fußball modern war, war es vermutlich zwangsläufig, dass nach den privaten Klavier- und Tennisstunden auch privater Fußballunterricht angeboten wurde, zusätzlich zum Vereinstraining.
    Bislang trainierten die Jugendteams der Bundesligisten drei- oder viermal die Woche abends nach der Schule, völlig abgetrennt vom Profibereich, und wenn mal ein oder zwei Talente den Durchbruch schafften, war das toll, wenn nicht, auch egal. Kein Bundesligatrainer musste noch 18- oder 19-Jährige aufbauen. Es war doch genug Geld da, gestandene Spieler zu kaufen. 128 Millionen Mark zahlte Sat. 1 in der Saison 1997/98 für die Fernsehübertragungsrechte, zwölfmal so viel, wie zehn Jahre zuvor fällig gewesen war. Der Zuschauerschnitt war 1995 erstmals über die Marke von 30000 geklettert und nie mehr zurückgegangen. Dank des Bosman-Urteils waren die Grenzen innerhalb der Europäischen Union offen, die Sportdirektoren der Bundesligisten konnten immer schnell einen linken Verteidiger aus Bulgarien oder Tschechien kaufen, und ansonsten schoben sie die gestandenen Bundesligaspieler hin und her. Die deutsche Nationalelf hatte die Europameisterschaft 1996 gewonnen, Borussia Dortmund 1997 die Champions League, Bayern München siegte 1996 im UEFA-Pokal, Schalke 04 ein Jahr später im selben Wettbewerb. Nur leise flüsterten einige wenige im Kosmos Bundesliga, der deutsche Fußball sei in dem Moment, in dem er scheinbar im Zenit stand, schon der Dekadenz verfallen. Deutsche Teams würden in ihrer

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