Spieltage
keinen einzigen Klienten hatten, sondern Spieler anriefen und behaupteten, »ich kann dich vielleicht bei Greuther Fürth unterbringen«. Wenn der Spieler Interesse äußerte, riefen sie bei Greuther Fürth an, »ich könnten Ihnen den Spieler bringen«. Heinz Höher ließ Rudi Theimerts enthusiastischen Vorschlag, eine Berateragentur zu eröffnen, unbeantwortet im Raum stehen. Rudi Theimert redete viel und gerne, aber er traute sich nicht nachzufragen, wenn Heinz Höher schwieg.
Rudi Theimert plante das Trainingslager für ihre Elf der 14-Jährigen, er organisierte Internatsplätze an der Bertolt-Brecht-Sportschule in Nürnberg. Er hatte sich als Vizepräsident beim VfL Bochum einst auch eine Stunde an den Flughafen gestellt, um beim UEFA-Cup-Spiel des VfL gegen Trabzonspor dem türkischen Ministerpräsidenten Mesut Yilmaz einen Blumenstrauß in die Hand zu drücken, den dieser dann vermutlich hinter der nächsten Ecke achtlos an irgendeinen Helfer weiterreichte. Den Ausdruck »sich für etwas zu schade sein« benutzte Rudi Theimert nicht. In der Detailarbeit lag doch die Erfüllung. Als er sah, wie ihre Jungs vom Internat ständig bei McDonald’s Hamburger mit Pommes frites aßen, brachte er fünf Spieler stattdessen in Fürther Gastfamilien unter. Es waren Jungen, die zuvor aus Dörfern hinter Würzburg oder gar Passau dreimal die Woche zum Training nach Fürth gefahren waren, eine Strecke 170 Kilometer. Keine Distanz war mehr zu weit für 14-Jährige, um Profifußballer zu werden. Kein außergewöhnlich begabter 14-Jähriger spielte noch in seinem Dorfverein, die Bundesligavereine holten die Talente in ihre Leistungszentren.
Rudi Theimert schrieb Berichte von jedem Spiel der C2-Jugend, zu Hause, nur für sich. Er wollte den Weg dokumentieren, den sie einschlugen. Sie hatten einen Linksaußen, Adrian Swiechowitz, einen Kopf kleiner als alle anderen, auf wunderbare Art leichtsinnig im Dribbling, der musste Profi werden. Adrians Vater sagte Rudi Theimert, mischen Sie sich da nicht ein, wir haben schon einen Berater für den Adrian, der steht im Kontakt mit dem VfB Stuttgart. Adrian war 13.
Die Samstage mit Rudi Theimert wurden zu Heinz Höhers Routine und Wochenhöhepunkt, mittags das Spiel mit der C2, bestenfalls nachmittags ein Heimspiel der Zweitligaelf mit Juri und abends zwei Bier und einen Klaren im Glubb. In der Bar an der Fichtestraße hingen Dartscheiben, daneben im Regal standen staubige Pokale. Wenn Rudi Theimert zwei Bier trinken ging, trank er wirklich nur zwei Bier, so blieb auch Heinz Höher samstags im Glubb bei dieser Menge. Wenn er so wenig trank, schmeckte es ihm nicht. Er spürte keine Wirkung. Dann konnte er gleich gar nichts trinken.
Früher habe ich viel getrunken, sagte er im Glubb zu Rudi Theimert.
Ja?
Ja.
Rudi Theimert verstand, was Heinz Höher ihm sagen wollte. Er kannte ihn nach wenigen Wochen gut genug, um zu wissen, dass Heinz Höher unangenehme Wahrheiten nicht aussprach, sondern andeutete.
Am Spielfeldrand, bei der C2-Jugend, meinte Rudi Theimert die Eltern einmal reden zu hören. Der trinkt doch, der hatte letztens eine Fahne. Aber die Eltern waren stolz, dass ihr Kind bei Heinz Höher trainieren durfte, wie er trainierte, das war vom Feinsten, Ballbehauptung in Spielen drei gegen zwei auf Minifeldern, auf was er achtete, Beschleunigung nach der Balleroberung, dein Fuß ist schief, du musst auf der Fußspitze aufsetzen, und deine Schritte müssen länger werden, wenn du aus dem Zweikampf rausgehst, wenn du dem Gegner davon ziehen willst.
Als ihre erste gemeinsame Saison im Sommer 2007 beendet war, sagte Heinz Höher nach einem Training, auf dem Weg zu den Umkleidekabinen, wo die Gespräche beiläufig und von Schweigen durchzogen sind, zu Rudi Theimert: Es ist vorbei. Sie verlängern meinen Vertrag nicht.
Was?
Ja.
Rudi Theimert dachte, nachzufragen wäre unhöflich; mit der Zeit würde ihm Heinz Höher schon erklären, warum er schlagartig, zum zweiten Mal, als Jugendtrainer bei der Spielvereinigung ausscheiden musste. Sie redeten nie mehr darüber. Zu Hause bei Rudi Theimert lag auf dem Schreibtisch das Heft mit all den Spielberichten der C2-Jugend und noch vielen weißen Seiten.
Heinz Höher hatte Juri Judt geraten, seinen mittlerweile bis 2008 datierten Vertrag in Fürth auf keinen Fall zu verlängern. Du bist zu gut, sagte er, du kannst Erste Liga spielen. Der Interessenskonflikt, den Präsident Helmut Hack sieben Jahre zuvor gefürchtet hatte, war da: Heinz Höher,
Weitere Kostenlose Bücher