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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Trainers für seinen Lieblingsschüler? Oder wollte es der Vater allen in der Bundesliga noch einmal beweisen, und Juri war sein letztes – welch hässliches Wort – Mittel dazu? Vermutlich ließ sich die Trainerliebe für einen Lieblingsschüler nie trennen von der Trainerobsession, es allen zeigen zu müssen.
    Im Zeitalter der E-Mail änderte sich Heinz Höher nicht. Er schrieb Briefe. »Lieber Klaus«, wandte er sich im November 2007 an seinen ehemaligen Spieler Klaus Allofs, der Manager von Werder Bremen geworden war: »Mit Kurt Jara, Bernard Dietz, Dir und Deinem Bruder Thomas, mit Reuter, Eckstein, Dorfner oder dem Jahrhundertfußballer Griechenlands Giorgos Koudas habe ich Spieler von absoluter Klasse trainiert. Aber wie Fußballer gerne reden, hätte man dem einen das Kopfballspiel vom anderen gewünscht und dem anderen die Zweikampfstärke oder Schnelligkeit vom Ersten, um den perfekten Spieler zu haben. 1998, bei meiner Arbeit für Greuther Fürth, hat mir der liebe Gott diesen perfekten Spieler in dem 12-jährigen Juri Judt über den Weg laufen lassen. … Schau Dir Juri Judt an, am besten auswärts im Spiel gegen einen starken Gegner, oder schicke Deinen besten Scout.«
    Klaus Allofs rief zurück und versprach, Juri beobachten zu lassen. Unterdessen bat der Fürther Präsident Helmut Hack Juri in den Weihnachtsferien 2007 zu einer Unterredung ins Transmar-Hotel in Erlangen. Hotelcafés, günstig an der Autobahn oder Flughäfen gelegen, hatten Autobahnraststätten als Lieblingstreffpunkt der Bundesligamacher für vertrauliche Gespräche abgelöst. Helmut Hack wollte noch einmal um Juris Vertragsverlängerung kämpfen. Er sagte, er würde ihm einen Vertrag anbieten, wie ihn noch nie ein Spieler in Fürth erhalten habe. Wie oft Hack das schon zu anderen Spielern gesagt hatte, war nicht bekannt.
    Heinz Höher fuhr Juri zum Hotel und wartete im Auto. Bei einem offiziellen Gespräch hatte er nichts zu suchen. Es würde kalt im Wagen werden, den Motor und die Heizung konnte er nicht so lange laufen lassen, wie das Gespräch vermutlich dauerte, sicher ein oder zwei Stunden, angesichts Hacks Bereitschaft, um Juri zu kämpfen. Nach fünfzehn Minuten kam Juri zurück.
    Was ist passiert, fragte Heinz Höher.
    Nichts, sagte Juri. Ich habe ihm gesagt, dass ich auf keinen Fall den Vertrag verlängern werde, und damit war das Gespräch beendet.
    Heinz Höher ließ den Motor im erhabenen Gefühl an, dass die große Reise beginnen konnte. Zwei Spiele später, die Spielvereinigung Greuther Fürth hatte sich auf einen Aufstiegsplatz vorgeschoben, nahm Trainer Bruno Labbadia den nach Einschätzung der Mannschaftskollegen und Zeitungsreporter tadellos spielenden Schlüsselspieler Juri Judt dauerhaft aus der Mannschaft.
    Der Trainer gab Juri dafür keine Erklärung. Juri fragte nicht nach. Ein Profi akzeptierte die Entscheidungen, sagte er sich und war froh über dieses ungeschriebene Gesetz. Benachteiligungen klaglos zu ertragen fiel Juri leichter, als Konflikte auszutragen. Die Zeitungen erwähnten die Umstellung in zwei Sätzen, »dass Trainer Labbadia seine Mannschaft umkrempeln würde, war nach dem 0:1 gegen Kaiserslautern zu erwarten. Es überraschte freilich, dass es Juri Judt traf«, schrieben die Nürnberger Nachrichten. Danach war der Fall für die Medien erledigt. So detailliert wurde über die Zweite Liga nicht berichtet, dass man aus einem, der nicht mehr spielte und sich nicht einmal laut darüber beschwerte, ein Thema machen konnte. Juri auf der Ersatzbank war nur ein Einzelschicksal in einem Mannschaftssport. Greuther Fürth purzelte wieder aus den Aufstiegsrängen, der Mannschaftskapitän ging zum Trainer, um ihm zu sagen, mit Juri als Schutz vor der Abwehr fühlen wir uns wohler. Doch Labbadia griff in den verbleibenden vierzehn Spielen nur noch einmal auf Juri zurück, als die Sperre des anderen gewichtigen Mittelfeldspielers Martin Lanig es unabdingbar machte. Greuther Fürth gewann jenes eine Spiel gegen 1860 München 3:1, Juri Judt bot nach Einschätzung der Mitspieler und Zeitungskritiker seine übliche tadellose Leistung, innerlich frohlockte er, jetzt habe ich den Bock umgestoßen, ich bin zurück im Team. Ab der nächsten Partie saß er wieder durchweg auf der Ersatzbank.
    Es ging darum, an ihm ein Exempel zu statuieren, da war sich Heinz Höher sicher. Wer hier den Vertrag nicht verlängerte, spielte auch nicht.
    Seit der belgische Mittelfeldspieler Jean-Marc Bosman 1995 vor dem Europäischen

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