Spieltage
verdienten ordentliche Zweitligaspieler, die besten kamen sogar auf 20000 Euro. Der vom Privatfernsehen entfachte Fußballboom wirkte spätestens seit der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland über die Erste Bundesliga hinaus. Im Fußballdeutsch gab es ein neues Wort: Event. Ins Stadion ging man »wegen der Atmosphäre«. Zuschauer wollten Teil einer Gruppe sein, jubeln, schreien, sich umarmen, leiden. Vom Spiel wurde vor allem erwartet, dass es den Anlass dazu lieferte. 2005/06 waren im Schnitt erstmals mehr als 40000 Zuschauer zu den Bundesligaspielen gekommen. Die Einnahmen aus Eintrittskarten spielten trotzdem eine so geringe Rolle wie noch nie. Sie machten nur noch gut dreißig Prozent des Budgets aus. Das Fernsehen zahlte über 300 Millionen Euro pro Saison für die Übertragungsrechte. Dabei war eines seit der ersten Bundesligasaison 1963 gleich geblieben: Die Vereine kalkulierten immer am Rande der Finanzierbarkeit; sie fixierten Gehälter und wussten, blieb der große Erfolg aus, konnten sie diese nicht bezahlen. Mit den Einnahmen stiegen seit 1963 die Schulden.
Ab August 2006 träumte Heinz Höher nicht mehr alleine. Jürgen Köper hatte angerufen, der bisherige Vizepräsident des VfL Bochum, Rudi Theimert, ziehe am Wochenende nach Nürnberg, vielleicht wolle Heinz Höher ihn mal treffen, sie würden sich sicher verstehen. Am Montagmorgen rief Heinz Höher Theimert an, am Montagabend stand der bisherige Bochumer Vizepräsident pünktlich in einem Erlanger Vorort auf dem Sportplatz des ASV Möhrendorf, Pünktlichkeit ist Rudi Theimert ein Gebot. Er sah sich die C-Jugend-Partie zwischen Möhrendorf und Greuther Fürth von der anderen Spielfeldseite an, um Heinz Höher bei seiner Trainerarbeit nicht zu stören. Nach dem Spiel sagte Rudi Theimert, jetzt duzen wir uns erst mal. Heinz Höher hätte das nicht gekonnt, von sich aus jemandem das Du anbieten. Eine Stunde später war Rudi Theimert Teambetreuer von Heinz Höhers Jugendelf.
Teambetreuer ist ein technokratisches Wort. Es brauchte einen neuen Ausdruck, um Rudi Theimerts Rolle treffend zu beschreiben: Er wurde Heinz Höhers Mitträumer. Sie würden in einer Multirolle als Trainer, Berater, Betreuer, Ziehväter aus Jugendlichen Profis machen. Juri Judt war Heinz Höhers Ein und Alles und gleichzeitig das Beispiel, dem viele folgen sollten.
Rudi Theimert, gedrungen, den Schnauzer aus Gewohnheit auch mit 66 im Gesicht, schlenkerte beim Gehen mit den Schultern. Es sah aus, als werde er von einem Überschuss Energie und Herzlichkeit geschüttelt. Die Theimerts waren aus dem Ruhrgebiet nach Nürnberg gezogen, um in der Rente der Tochter nahe zu sein. Seine Anteile an einem Bedachungsgroßhandel hatte Theimert verkauft, irgendwann war doch die Arbeit bei jedem zu Ende, sosehr sie ihn als Geschäftsführer und Gesellschafter auch ausgefüllt hatte. Was er allerdings weiter brauchte, war die Nähe zum Fußball.
Ein Kaffee schmeckte ganz anders in der Stadiongaststätte als in der Stadt, wenn jederzeit einer der Profis vorbeikommen konnte, wenn Rudi Theimert an seine eigene Zeit im Spiel erinnert wurde, 1959 war er Reservespieler bei Schwarz-Weiß Essen gewesen, als die erste Elf den DFB-Pokal gewann. Samstags am Ronhof, wenn Juri und die Fürther in der Zweiten Liga spielten, ging er mit Heinz Höher ins weiße VIP-Zelt vor dem Stadion, im gedrungenen Stadion selbst war kein Platz für die unerlässliche Bewirtung der sehr zahlungswilligen Gäste. Das Gedränge und Geschwirr der Stimmen im VIP-Zelt verschafften Rudi Theimert einen angenehmen Schwindel, die Erwartungen vor dem Spiel, das Gefühl dazuzugehören zum Fußball, ach, schau mal, da war doch Kon Schramm, der Spielerberater von Lukas Podolski und David Odonkor, den Helden des deutschen Sommermärchens 2006, und dort Reza Fazheli, der Berater eines ganz heißen jungen Spielers, Mesut Özil. Theimert stellte Heinz Höher den Beratern vor, die er aus Bochumer Vizepräsidentenzeiten kannte. Mensch, Heinz, sagte Rudi Theimert nach diesen Gesprächen, lass uns doch auch eine Spielerberateragentur aufmachen, du hast das Fachwissen, ich die Kontakte, und die Spieler ziehen wir uns selbst heran, mit Juri und Daniel Adlung, dem ebenfalls der Sprung in die Fürther Zweitligaelf geglückt war, hatte Heinz Höher doch schon zwei.
Bei der FIFA waren über 250 deutsche Spielerberater offiziell registriert. Wie viele davon leben konnten und wie viele davon leben wollten, konnte niemand zählen. Es gab Berater, die
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