Spieltage
unserer augenblicklichen Spielstärke an Schnelligkeit, Beweglichkeit und Ausdauer zeigten, war meiner Meinung nach schon traumhaft.
Gegen diese Düsen-Jets wirken unsere Spieler höchstens wie zweimotorige Flugzeuge.
Heute morgen führte ich ein längeres Gespräch mit Werner Biskup (Telefongebühren ca. 15,– DM), woraus sich ergab, daß beim wöchentlichen Training der Kölner 70 Prozent auf den Konditionstrainer Rolf Herings und 30 Prozent auf die mehr spielerische und taktische Schulung unter Herrn Ocwirk entfallen.
Sie wie ich sind einer Meinung, daß wir in diesem Jahr mit den im letzten Jahr gezeigten Leistungen pro Spiel drei- bis viertausend Zuschauer weniger anlocken, und da passen unsere ersten drei Heimspiele gegen Gütersloh, Hamborn, Gelsenkirchen nur zu gut in den letztjährigen Rahmen.
Meine unbescheidene Bitte: Übergeben Sie mir die konditionelle und athletische Ausbildung unserer Spieler, und ich halte in acht Wochen meinen Kopf darüber hin, daß wir eine austrainierte Mannschaft haben.
Mit herzlichen Grüßen verbleibe ich.
Ihr Heinz Höher
Kein Trainer hört gerne, dass er keine Ahnung hat, so höflich die Worte auch gewählt sind. Hermann Eppenhoff ließ sich auf einen Kompromiss ein: Heinz Höher durfte die Ersatzspieler zusätzlich zum normalen Training schulen. Die erste Elf aber würde er in Ruhe lassen mit seinen fanatischen Trainingsideen.
Jeden Tag nach dem Training gingen die gestandenen Spieler wie Gerd Wiesemes in die Umkleidekabine und lachten über die Jungen. Sie wurden noch vom verrückten Höher geschunden. Den Hügel hinter dem Tor rauf und wieder runter, lange Schritte bergauf, kleine Schritte bergab, und die Frequenz halten, schneller, zack-zack-zack.
Ein Lizenzspieler, der etwas auf sich hielt, verachtete hartes Training. Diese Einstellung gehörte zum Selbstverständnis der Fußballer dazu. Ein guter Fußballer hatte Training nicht nötig, er hatte das Talent. Nur heimlich für sich dachte mancher junge Bochumer Spieler wie Jürgen Köper, das größte Talent von allen, dass der Heini Höher sie mit seinem modernen Training nach vorne brachte; dass er der Trainer ihrer, einer neuen Generation war.
Als im Herbst 1970 der Zweitligist Schwarz-Weiß Essen einen Trainer suchte, fiel die Wahl auf Heinz Höher. Viele beim VfL Bochum – Spieler wie Gerd Wiesemes oder der Jugendleiter Erwin Steden – hatten das Gefühl, dass Höher nur wegging, um wiederzukommen. Er würde in der Nachbarstadt seine Lehre für den VfL absolvieren.
Heinz Höher bewältigte in Essen sein erstes Trainerjahr nach eigenem Geschmack recht ordentlich, als er am 6. Juni 1971 den Fernseher einschaltete und sich augenblicklich dachte: O Gott.
6. Juni 1971
Echte Freunde
Er erkannte die Stimme sofort. Die Tonbandaufzeichnung hatte sie etwas verzerrt, aber den kölschen Singsang, die mit lauter Sch- und J-Lauten weichgespülte Sprache konnte Heinz Höher augenblicklich zuordnen. Er saß zu Hause im Wohnzimmer, am 6. Juni 1971, ein Datum, das man nicht vergisst, und hatte die Abendnachrichten im Fernsehen anschauen wollen. Die Fernsehbilder zeigten das Tonbandgerät, von dem die Stimme kam.
»Sonst ist so weit fast alles geregelt«, sagte die Stimme. »Aber passen Sie auf, der Herr Konrad hat mir was gesagt mit dem Jupp Kappelmann.«
»Ja, der hat beim Kremers angerufen. Ich weiß nicht, was er wollte«, entgegnete vom anderen Ende der Telefonleitung eine zweite, vor Heiserkeit krächzende, vor Erregung kurzatmige Stimme.
»Ja, ja, ja. Der ist mir etwas zu grün für die Sache.«
»Zu grün.«
»Der ist 20 Jahre, und ich habe nicht so gerne in so ’ner Sache so grüne Jungs, die quatschen mir zu viel, verstehen Sie das?«
»Jawohl.«
»Das ist auch Ihre Meinung?«
»Jawohl.«
»Man muss wissen, mit wem man was macht und was man macht und so weiter. Das können keine 20-Jährigen, die überall drinhängen und erzählen, machen.«
Heinz Höher benötigte nicht mehr die Erläuterungen des Fernsehsprechers. Er konnte zwischen den Zeilen hören. Die kölsche Stimme, Manfred Manglitz, sein alter Kollege aus Leverkusener und Meidericher Zeiten, der zum Nationaltorwart aufgestiegen war und mittlerweile das Tor des 1. FC Köln hütete, hatte das abschließende Saisonspiel der Kölner gegen Kickers Offenbach an den Offenbacher Präsidenten Horst-Gregorio Cañellas verkaufen wollen. Jetzt kommt alles raus, dachte Heinz Höher, hoffentlich kommt jetzt nicht alles raus.
Fünf Jahre alte Bilder kamen
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