Spieltage
Abstieg waren die Kontrakte hinfällig. Und welchen Stellenwert hatten die Stadt, der Klub und der Vereinsfürst selbst noch, wenn es dann nicht mehr gegen Mönchengladbach und Bayern München, sondern den Lüner SV und VfR Neuss ging?
Nährboden für die Korruption bot auch die verkrampfte Lizenzspielerreglung: Weil die offizielle Gehaltsgrenze unrealistisch niedrig war, waren schwarze Gehaltszahlungen eine Selbstverständlichkeit geworden. Illegale Gelder zu erhalten war für die Fußballer Alltag. Das minderte das Unrechtsbewusstsein.
Nach und nach erlebte Heinz Höher, wie immer mehr Namen von Freunden und Kollegen im Bundesligaskandal auftauchten. Vieles allerdings erfuhr er erst 50 Jahre später, durch die Recherchen zu diesem Buch. Er war sich nicht sicher, ob er es wirklich wissen wollte.
Was andere für eine verrückte Idee hielten, hielt Manfred Manglitz schon immer gerne für eine goldene Gelegenheit. Als Mitte der Sechziger die Sportartikelfirma Hummel die ersten Autogrammkarten der Meidericher Spieler druckte, hoben seine Mitspieler die Karten als stolze Insignien ihres jungen Ruhms auf. Torwart Manglitz ließ die Karten in einer Druckerei tausendfach reproduzieren. Beim nächsten Heimspiel schickte er seinen 17-jährigen Neffen mit einem Freund los, der Neffe übernahm die Haupttribüne, der Freund die Gegengerade. 25 Pfennig verlangten sie für jede Karte. Innerhalb von drei, vier Heimspielen hatten sie alle 10000 verkauft.
Bei seinen Eltern in der Buchbinderei, einem Familienbetrieb mit nie mehr als vier, fünf Angestellten, hatte Manfred Manglitz erlebt, wie es um jeden Pfennig ging, und gelernt, dass sich ein Geschäft meistens gut mit einem zweiten verbinden ließ. Als sein Torwarttalent mit 21 zu Hause beim SC West in Köln nicht mehr zu übersehen war, riet ihm sein Vater, zu Bayer 04 Leverkusen zu wechseln. Der Sohn sollte sich bei der Vertragsunterzeichnung von den Bayerwerken Aufträge für die elterliche Buchbinderei zusichern lassen.
Eine Mark nehme er immer gerne mit, sagte Manfred Manglitz. Er war Torwart in Meiderich und gab gleichzeitig gemeinsam mit Stürmer Heinz van Haarem die Stadionzeitung heraus. Potenzielle Anzeigenkunden klapperten sie persönlich ab. Manfred Manglitz machte Werbung für die Zigarillos Handelsgold, als noch kaum ein Fußballer Werbung machte und er nicht wusste, wie man Zigarillos hielt. Er übernahm in Meiderich eine Tankstelle, morgens um halb sieben stand er in der Winterkälte und erwartete den Lieferwagen mit 400 Litern Diesel. Die Finger noch klamm vor Kälte vom Auftanken, ging er um neun auf den Trainingsplatz, obwohl erst um halb zehn Training war. Danach Mittagessen, wieder Training, wieder an der Tankstelle bis 20 Uhr, und dann, sagte Manfred Manglitz, »kam meine süße Maus, die musste auch noch befriedigt werden. Irgendwann war es drei in der Nacht.«
Seine Maus hatte er während der Meidericher Jahre in der Diskothek Number One kennengelernt. Sie arbeitete dort als Bedienung. Manglitz rannte auf die Straße, fand eine Blumenverkäuferin und bat sie, der schönen Frau hinter der Theke in der Number One einen Strauß Maiglöckchen zu überbringen, mit den herzlichsten Grüßen von ihm, der gewiss nicht schlecht aussah, groß gewachsen und ordentlich frisiert, und jemand war in Duisburg. Was meinst du, wenn eine Frau Maiglöckchen in der Diskothek erhält, dachte sich Manglitz: Schlau, was!
Die Sache war die, dass er nachts nie schlafen konnte. Schon seit er ein Junge war, wachte Manfred Manglitz nachts auf, mal um eins, mal um vier, und dann ging nichts mehr, dann lag er wach und dachte nach. Da fielen ihm die ganzen schlauen Sachen ein.
Im Frühjahr 1971, als Manfred Manglitz das Tor des 1. FC Köln hütete, des Vereins seiner Kinderträume, spielte er in den letzten fünf Wochen der Bundesligasaison noch gegen vier der fünf abstiegsgefährdeten Klubs. Köln, im Mittelfeld der Tabelle gestrandet, hatte keine ausgeprägten Ambitionen mehr. Arminia Bielefeld war am 1. Mai der erste Kölner Gegner aus der Reihe der Leidenden.
»Der Raymond Schwab war für Bielefeld unterwegs«, sagt Manglitz. Fußballmakler Schwab, der Heinz Höher nach Meiderich und Enschede vermittelt hatte, war Manglitz in einem ähnlich: Geld zu machen fand auch er schlau. Wie, war nicht so wichtig. Zwischenzeitlich hatte sich Schwab als, wie er es nannte, Artist verdingt. Kaufhäuser konnten ihn für ihre Eröffnungsfeiern mieten. Vor dem Publikum mit offenen Mündern
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