Spieltage
würde.
Diese Penner bei Schlegel, wenn sie ihn hätten arbeiten lassen, hätte er sich nie gesehene Werbekampagnen ausgedacht, hätten ihn nur mal zu fragen brauchen, was für Ideen er hatte. Stattdessen gaben sie ihm Krimskrams zu erledigen, persönliche Briefe an Gastwirte schreiben, hier schreibt Ihnen der VfL-Star und so einen Quatsch. Solche Penner.
Er reihte sich in der Schlange vor dem Arbeitsamt in der Universitätsstraße ein und meldete sich arbeitslos. Er weigerte sich, darüber zu sprechen, wie es auf dem Amt aussah, wie es sich anfühlte, dort vorzusprechen.
Nicht lange nach Heinz Höhers Entlassung eröffnete sein Mannschaftskollege Gerd Wiesemes eine Allianz-Versicherungsagentur auf der Alleestraße. Wenn man es als Lizenzspieler geschickt anstellte, sparte man das Geld, das man neben der richtigen Arbeit mit dem Fußball verdiente, und hatte mit 30 ein schönes Startkapital für die Karriere nach dem Sport.
Heinz Höher kam regelmäßig in Wiesemes Versicherungsagentur. Im Hinterzimmer konnten sie bestens Karten spielen. Aber er sah sich nicht in solch einem Büro. Schon als 16-Jähriger hatte er eine Kaufmannslehre bei Humboldt Deutz nach drei Monaten abgebrochen. Er wollte nicht seine Tage mit einer Arbeit verbringen, die ihn nicht interessierte. Und wirklich brennend interessierte ihn nur Sport. Vielleicht noch das Schreiben, aber damit ließ sich sicherlich nichts anfangen. Das Lehrerstudium hatte er verspielt; auch wenn es hieß, dass im Jahr 1968 alles möglich war, so konnte er mit 30 gewiss nicht mehr an die Universität zurückkehren. Es gab nur einen Ausweg. Er musste Trainer werden.
Heinz Höher suchte aus den alten Briefen die Adresse in Hohensachsen an der Bergstraße heraus. Er besaß die vage Hoffnung, dass Sepp Herberger ihn noch immer mochte. Er schrieb dem pensionierten Bundestrainer, bitte ein Wort für ihn einzulegen, damit er zum Trainerlehrgang an der Deutschen Sporthochschule aufgenommen wurde.
In Köln an der Sporthochschule unterrichtete der Trainer von Borussia Mönchengladbach Hennes Weisweiler die zukünftigen Elitetrainer des deutschen Fußballs gemeinsam mit gewöhnlichen Sportstudenten. Innerhalb des normalen Sportstudiums war das Sonderfach Fußball untergebracht, nach einem zwei Semester langen Schnellkurs wurde den Traineraspiranten das Diplom des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer ausgestellt. Während des Unterrichts verteilte Weisweiler des Öfteren auch unerwartete Aufgaben: Tritt den mal um, wies er gerne einmal einen der Bundesligaspieler vor einem Übungsspiel an, wenn ihm einer der gewöhnlichen Sportstudenten im Theorieunterricht zuvor zu naseweis aufgetreten war. Willi Holdorf, der Zehnkampf-Olympiasieger aus Leverkusen, bestand das Fußballtrainerdiplom im Rahmen seines Sportstudiums. Gyula Lorant, den viele Bundesligaspieler als den besten Trainer ihrer Karriere priesen, musste nachsitzen. Der Vortrag des Ungars sei nicht zu verstehen gewesen, befand die Prüfungskommission um Weisweiler, rein sprachlich natürlich.
Die Trainerausbildung in Deutschland war weltweit einzigartig, glaubten die Deutschen. So systematisch bereitete kein anderes Land seine Trainer vor. Zusätzlich zum Studium veröffentlichte der Bund Deutscher Fußball-Lehrer zur Fortbildung montags auf einer Doppelseite im Kicker oft Aufsätze von Trainingswissenschaftlern aus aller Welt wie von Dr. Miroslav Choutka, Dozent der Sporthochschule Prag, über »die Analyse der Bewegung beim Spannstoß«. Auch wurden auf den zwei Seiten im Kicker die Adressen und Telefonnummern der großen Trainer bekannt gegeben, sodass jeder interessierte Trainerneuling sich an sie wenden konnte. Paul Oswald, Meistermacher von Eintracht Frankfurt, wohnhaft am Letzten Hasenpfad 10, war zu erreichen unter 06102/5515.
Hennes Weisweiler ließ Heinz Höher spüren, was er von Leuten hielt, die sich über seinen Kopf hinweg, über die Empfehlung von Herberger in den Trainerkurs drängten. Wenn Höher etwas sagte, sah Weisweiler aus dem Hörsaalfenster. Als Höher montags mit einem Muskelfaserriss im Oberschenkel erschien, ersparte ihm Weisweiler das Praxistraining nicht.
Herr Weisweiler, ich bitte Sie, ich brauche meinen Oberschenkel, um mit dem Fußball meine Familie zu ernähren, sagte Heinz Höher. Stellen Sie sich vor, einer von Ihren Spielern wäre verletzt.
Mit ihm bestritten die Mönchengladbacher Fußballer Berti Vogts, Hartwig Bleidick und Rudolf Pöggeler die Ausbildung. Es war üblich, dass aktuelle
Weitere Kostenlose Bücher