Spieltage
meinst du, wie das wehgetan hat«.
Als Manfred Manglitz in den Siebzigern bei einem Urlaub an der Costa Blanca das kräftige Blau sah, das direkt vom Himmel ins Meer überging, wusste er: Hier wollte er leben.
Zwischen seiner Wohnung und dem Meer liegen nur ein paar Tennisplätze und ein feiner Sandstrand. Er hat mittlerweile fast sein halbes Leben in Villajoyosa verbracht. Er arbeitete in Spanien als Wirt, Tennislehrer, Häuserrestaurateur, Immobilienmakler. Er zählt nach und glaubt, in seinem Leben auf zwölf Berufe zu kommen, »ich habe mir nie Gedanken gemacht, was mal wird«.
Wenn er über den Bundesligaskandal redet, wird er ein anderer. Seine Stimme wird höher, sein Körper spannt sich an. Von den vielen Sachen, die Manfred Manglitz im Leben gemacht hat, weil er doch stets locker war, immerzu ein Kölner Lebenskünstler, ist die Schiebung von 1971 die eine, die er gerne rückgängig machen würde. Weil dies nicht geht, versucht er über 40 Jahre später, sich mit seiner eigenen Version der Wahrheit vor den Vorwürfen zu schützen.
»In Bielefeld, als wir 0:1 verloren, zum Beispiel, da hatte ich für Sieg oder Niederlage dieselben Angebote. Da habe ich ganz normal gespielt, da war ich sogar der beste Mann auf dem Platz. Ich habe einfach so gut, wie ich konnte, gehalten und wusste, nachher kriegst du von einer Seite 25000 Mark auf dem Parkplatz.«
Vor ihm liegt unter Palmen still der Swimmingpool, der zu seiner Wohnanlage am Strand von Villajoyosa gehört.
»Ich schwöre dir, wenn dieser Bananenhändler das letzte Spiel gewonnen hätte, wäre es nie zum Skandal gekommen. Der Cañellas war nur in seinem Wahn, weil er abgestiegen war: Jetzt scheiße ich sie alle an!«
Manfred Manglitz hat für den Gast auch ein Handtuch am Swimmingpool bereitgelegt. Er ist zufrieden mit sich, dass er an solche kleinen Aufmerksamkeiten denkt.
»Ich hätte nie gedacht, dass es so eine Drecksau wie den Cañellas gibt. Wenn ich mit so einer Gaunerei anfange oder mitmache, dann reite ich nicht 50 Leute rein. Es gibt doch eine Ganovenehre, und gegen die hat der Cañellas verstoßen!«
Die Ehre ist wichtig; die Dinge korrekt machen, selbst wenn die Dinge eine Riesenbetrügerei sind.
»In jedem Bericht zum Skandal steht heute, der Manglitz hat da 25000 von Offenbach gekriegt oder dort dies und das gefordert. Aber wer sagt überhaupt, dass ich die 25000 immer alleine bekommen habe? Was meinst du, warum vom 1. FC Köln niemand außer mir in den Skandal verwickelt war? Weil ich meine Schnauze hielt. Ganovenehre. Ich hätte ja auch ein paar Namen nennen können: Der dies und der das waren beteiligt, von denen hat jeder 5000 Mark bekommen.«
Er nennt ein paar Namen.
»Aber was hätte es mir gebracht, die Namen zu nennen?«
Komm, sagt Manfred Manglitz, jetzt wolle er mal in den Swimmingpool.
Horst-Gregorio Cañellas, wie Manglitz lebenslänglich für Ämter im deutschen Lizenzfußball gesperrt, bemerkte nach dem Bundesligaskandal einen höheren Umsatz in seinem Südfrüchtehandel. Später wanderte er, von den Frustrationen des Skandals abgekämpft, gesundheitlich angeschlagen, nach Mallorca aus. Wilhelm Stute, der Bielefelder Präsident, wurde für sein großes Engagement bei der Restaurierung der Altstadt in Bielefeld gepriesen. Peter Maaßen, ihr Oberhausener Widersacher, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz und der DFB-Verdienstnadel ausgezeichnet; für seine Hingabe, wie es hieß, beim Wiederaufbau der Sports und der Wirtschaft in Oberhausen nach dem Krieg. Horst Gecks, der Nein zu den Bestechungsversuchungen gesagt hatte, spielte mit Kickers Offenbach nach dem Abstieg in der zweitklassigen Regionalliga.
Nach seiner Profilaufbahn arbeitete Gecks als Kaufmann beim Sportartikelhändler Hummel in Kevelaer. Er eröffnete ein Sportgeschäft, und weil sie ihn baten, spielte Horst Gecks mit 50 auch noch beim Kevelaer SV in der Landesliga; weil sie ihn baten, führte er das Sportgeschäft auch noch über das Rentenalter von 65 hinaus.
Immer am ersten Mittwoch eines jeden Monats trifft sich Gecks mit den alten Meiderichern. Viele, die 1963 Bundesliga-Zweiter wurden, kommen noch. Wenn es sich ergibt, wenn er in der Heimat ist, nimmt sich Manfred Manglitz ein Mietauto und schaut auch vorbei. Sein linkes Knie ist aus Stahl, im rechten und in der Schulter sitzt die Arthrose. Die vielen Cortison-Spritzen. Bei den alten Meiderichern fühlt er sich noch immer zu Hause, es war die große Zeit, die unbefleckte Zeit.
Wenn sie zusammensitzen,
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