Spieltage
nur einen Satz gesagt: Da hast du wieder was gebracht.«
Die Kamera fing Doris Höher in der ersten Reihe des Publikums ein, sie trug eine bunte Bluse über einem schwarzen Rollkragenpullover, lächelte leise und verzog das Gesicht, als sie merkte, dass sie im Bild war.
Die Höhers erwarteten ihr drittes Kind, entlockte Carmen Thomas Heinz Höher zum Abschluss des Interviews und bat ihn mit einladender Handbewegung zum obligatorischen Torwandschießen.
Sechs Wochen lang war das Sportstudio 1974 ohne die Torwand ausgestrahlt worden. Jeden Samstag fielen einige hervorragende Beiträge aus Zeitnot aus dem Programm, sie mussten irgendwo kürzen und dann lieber an den Unterhaltungselementen als am Inhalt, hatte Sendeleiter Senne befunden und die Torwand abgeschafft. »Es war ein unglaublicher Fehler«, merkte Senne nach wenigen Tagen. So viele Beschwerden hatte es noch nie gegeben. Objektiv waren es nur sechs Schüsse mit einem Fußball, die jeder Gast, ob Reiterin oder Fußballstar, in Straßenschuhen launig auf eine Kirmeswand mit zwei Löchern abgab. Aber subjektiv war das Torwandschießen für die Zuschauer ein Ritual, das kuschelige Wiedererkennungsmerkmal, das Millionen jeden Samstagabend bestätigte: Das ist mein Sportstudio . Nach sechs Wochen ließ Senne die Torwand ohne Erklärung, als ob nichts geschehen wäre, wieder aufstellen.
Neben der Torwand hing, in Otl Aichers berühmtem Design der Olympischen Spiele von 1972, eine Tafel mit den treffsichersten Schützen. Günter Netzer hielt alleine den Rekord mit fünf Treffern. »Ui« und »Oah«, rief das Publikum, als Heinz Höher schoss. Die Bälle flogen wild umher. Nur einen Schuss versenkte er. »Es macht ja gar nichts, wo gestern dieser Erfolg so großartig war«, sagte Carmen Thomas, wünschte ihm alles Gute und leistete sich nach der Erfindung von »Schalke 05« ihren zweiten herrlichen, aber weniger bekannten Versprecher. »Ich hoffe, Sie bekommen ein gesundes Kind«, wollte sie sagen. Sie sagte: »Ich hoffe, Sie bekommen ein schönes Kind.«
Alle lachten, die Moderatorin selbst am meisten.
Wie Carmen Thomas als sanfte Gastgeberin und Heinz Höher als schüchterner Gast auf einer weißen Turnbank vor der Kamera gesessen hatten, hatten sie mehr als sympathisch, geradezu liebenswert gewirkt. Aber es stand schon fest, dass es Carmen Thomas’ letzte Sendung sein würde.
Ihr Zweijahresvertrag lief in wenigen Wochen aus. Sollen wir das beenden?, hatte Sportchef Hanns Joachim Friedrichs den Sendeleiter Karl Senne gefragt.
Carmen Thomas hatte die große Hysterie über eine Frau, die Schalke 05 sagte, tapfer überstanden, sie war, wie das Interview mit Heinz Höher zeigte, durch die Erfahrung aus zwei Jahren eine charmante Moderatorin geworden, aber ihre Chefs hatten sich ihre Meinung schon gebildet. Zu selten habe sie, so wie bei Heinz Höher, einfühlsam eine Atmosphäre geschaffen, in der sich ihr Studiogast öffnete. Zu oft sei ihre Ironie kratzig statt wie bei Heinz Höher leicht gewesen. So blieb ihr vielleicht bestes Gespräch im Sportstudio auch ihr letztes. Der WDR, ihr Stammsender, bot Carmen Thomas eine Radiomoderation in der neuen Unterhaltungssendung Hallo Ü-Wagen an. Leise schied die erste sichtbare Frau in der deutschen Bundesliga Ende 1974 nach zwei Jahren wieder aus. Sie wurde eine beliebte, souveräne Radiojournalistin. Wie so viele Fußballer, die nach ihrer Karriere auf ein Tor, einen grandiosen Fehler oder einen Spruch reduziert werden, blieb Carmen Thomas jedoch, egal, was sie in ihrer journalistischen Arbeit noch tat, immer die, die Schalke 05 sagte.
Nur die Familie Höher erinnerte sich stets an ihren anderen, wunderbaren Versprecher. Als vier Monate nach der Sendung Doris und Heinz Höhers drittes Kind geboren wurde, verschickten sie Geburtsanzeigen mit dem Spruch: »Das schöne Kind ist da.« Auf den Namen des Kindes hatten sie sich auf der Rückfahrt vom Aktuellen Sportstudio geeinigt. Sie nannten den Neugeborenen Thomas. Wenn es ein Mädchen geworden wäre, hätten sie es Carmen getauft.
Die Siebziger, später
Unabsteigbar
Über Heinz Höher sagten seine Fußballspieler gerne, »bei dem kann dich nichts mehr überraschen«, aber dann staunten sie schon wieder. Im Juli 1976, bis zum Beginn der neuen Bundesligasaison blieben noch drei Wochen, zog Heinz Höher seine Mannschaft sonntagabends im Trainingslager zusammen – um ein Freundschaftsspiel gegen den Zweitligisten Wuppertaler SV am Montag vorzubereiten.
Aber Heinz, ein
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