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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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männliche Kollegen grimmig. Carmen Thomas verschanzte sich hinter gespieltem Gleichmut vor der Kritik, sie wies alles zurück, sie merkte selbst, wie rechthaberisch sie klang, sie hasste es, aber egal, es ging darum, sich keine Blöße zu geben, keine Schwäche zu zeigen. Man redete nicht darüber, was man wirklich fühlte.
    Carmen Thomas fühlte sich manchmal wie eine Hochstaplerin. Die ganze Zeit hatte sie das Gefühl, eine Sportexpertin spielen zu müssen, die sie nicht war. Sie sehnte sich danach, dass ihr jemand half, diese Expertin zu werden. Aber um Rat zu bitten wäre ein Beleg von Schwäche gewesen.
    Und – aber das bleibt unter uns, tuschelten die männlichen Kollegen nach der Konferenz auf dem Flur – hast du gesehen, wie sie sich kleidet?
    Carmen Thomas öffnete unterdessen ihre Post. Ein Sportstudio -Zuschauer hatte ihr benutztes Toilettenpapier geschickt.
    In ihrem zweiten Sportstudio -Auftritt brach Carmen Thomas ein Tabu. Sie ließ das Publikum zumindest ahnen, wie sie sich fühlen musste. »Sie brauchen heute nicht zuzusehen, weil eine große deutsche Zeitung schon weiß, wie ich sein werde«, sagte sie, hielt die Bild am Sonntag vom nächsten Morgen in die Kamera und las vor, was der BamS- Fernsehkritiker Michael Bernhard auf Seite 32 über ihren Auftritt schrieb: »Charme allein genügt nicht, Frau Thomas! Ich habe zwar aus Sympathie für Sie mitgezittert, aber überzeugen konnten Sie mich nicht. Ich finde, das Sportstudio sollte Männersache bleiben, denn Sport ist im Wesentlichen nun mal die Spielwiese des starken Geschlechts.« Weil der Redaktionsschluss der Bild am Sonntag schon vor Sendebeginn lag, hatte Bernhard seinen Verriss formuliert, ohne Thomas’ Auftritt abzuwarten. Dass der Andruck des Sonntagsblatts an den Hauptbahnhöfen bereits Samstagabend zu kaufen war, hatte er nicht bedacht.
    Aufgebracht riefen einige Zuschauer beim ZDF und der Bild- Redaktion an, um über diese unmögliche Sauerei der Zeitung zu schimpfen. Hättest du das besser nicht publik gemacht, sagten einige männliche Kollegen zu Carmen Thomas. Du begibst dich in einen permanenten Krieg mit denen. Den kannst du nur verlieren, dachten sie wohl.
    Denn eine Frau hatte keine Ahnung von Fußball zu haben. Von der Meinung würde Carmen Thomas die Bewahrer von Adenauers Welt nicht abbringen. Die Bild- Zeitung glaubte, für diese Bewahrer, dieses bedrohte Deutschland zu schreiben.
    Im Juli 1973 war Carmen Thomas für Freund und Feind schon eine vertraute Symbolfigur, sie trat zum fünften Mal im Sportstudio auf. Die Bundesliga machte Sommerpause, dafür lief der europäische Intertoto-Cup mit einigen deutschen Vertretern. Auf ihrem Moderationszettel, den sie in der Hand hielt, hatte sie sich notiert: »Intertoto-Spiele« und »fünf deutsche Vereine«. Der Name des Gegners von Schalke 04 ging ihr einfach nicht in den Kopf, Standard Lüttich. Während sie das Spiel anmoderierte, dachte sie nur an dieses verflixte Standard Lüttich, da geriet ihr unterbewusst irgendwie die Zahl 5 von den »fünf deutschen Vereinen« in den Sinn, und sie machte den FC Schalke 04 ein Jahr jünger: Nun kämen Bilder vom Spiel des »FC Schalke 05 gegen – äh, jetzt hab ich’s vergessen – Standard Lüttich«, sagte sie. Schalke 05!
    Es war nur ein Versprecher. Es sollte der große Beweis sein: Man konnte keine Frau ein Sportstudio moderieren lassen.
    Doch die Bild- Zeitung berichtete 18 Tage gar nicht über Schalke 05. Die Zeitung umfasste meist nur sechs Seiten, da fiel schon mal eine Nachricht unter den Tisch. Am 8. August stand dann plötzlich auf Seite 1: »Carmen Thomas im ZDF- Sportstudio gescheitert«, direkt über der Hauptzeile: »Leibarzt der Queen vergiftet sich«. Einer der Männer aus der ZDF-Sportredaktion hatte der Bild- Redaktion die Information zugespielt, dass innerhalb des Senders heftig über die Moderatorin debattiert wurde. »Frau Thomas ist ins Kreuzfeuer der Kritik geraten«, sagte ZDF-Sportchef Friedrichs der Zeitung. »Wenn sich die Erregung gelegt hat, kriegt sie eine zweite Chance.« Eine zweite Chance klang eigentlich nicht nach »ist gescheitert«. Aber so genau würde es doch niemand nehmen. Die Bild- Zeitung wollte nur ein bisschen spielen. Auf Seite 2 veröffentlichte sie einen Kommentar zum Thema: »Was würde mit einem Mann geschehen, der im Fernsehen von dem Parfüm Chanel No. 4 spricht? Man würde über ihn lächeln – ein charmanter Irrtum. Und was geschieht mit einer jungen, charmanten Frau, die wie

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