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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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für den Unterschied nahm. Wusste Bast nicht, dass man im Bochumer Trikot niemals stehen blieb? Sicherer interpretierten die anderen Neuen den Bochumer Stil, Matthias Herget, ehemals Rot-Weiß Bismarck Gelsenkirchen, und Lothar Woelk aus der Amateurverbandsliga, den Heinz Höher in der Betriebself der Opel-Werke beobachtet hatte. Ein Bochumer Konterangriff riss die 22000 jäh aus der Lethargie des Bloß-nicht-verlieren-Fußballs, 32 Minuten waren gespielt, Torjäger Jupp Kaczor rannte allein auf Mönchengladbachs Torwart Wolfgang Kneib zu und dachte im Blitz einer Sekunde, »der Ball geht rein«. Dann krachte es. Kaczor, der über den Rasen geschlittert war, um mit der Fußspitze vor dem Torwart an den Ball zu kommen, war mit Kneib zusammengeprallt. Kaczor hatte den Knall gehört, als sich Jürgen Köper ein halbes Jahr zuvor im Spiel in Duisburg das Schien- und Wadenbein brach. Er wusste sofort, was ihm widerfahren war.
    Heinz Höher, in einem schlichten blauen Sport-T-Shirt mit Rundkragen, schlug die Hände vor die Augen. Ersatzspieler Hartmut Fromm redete mit geöffneten Händen auf ihn ein; ein Spieler versuchte den Trainer daran zu erinnern, dass er für das Trotzgefühl, für das Weitermachen zuständig war. Aber Heinz Höher vergaß seine Rolle. Jupp Kazcor, der in der vorherigen Saison – in der Saison nach der Autobesteigung von Gran Canaria – 21 Tore erzielt hatte, war Bochums einziger Torjäger von Format.
    Kein Bundesligist hatte für seinen herausragenden Torjäger, Libero oder Spielmacher einen wirklichen Ersatz; hätte sich beim FC Bayern Gerd Müller verletzt, wäre ihr Torglück von einem Ersatzmann abhängig gewesen, von dem wenige wussten, ob er nun Janzon oder Janson hieß. (Er hieß Norbert Janzon.) Zwar waren die Zeiten vorbei, als Trainer Branko Zebec 1968/69 bei Bayern München in der gesamten Saison nur 13 Spieler einsetzte und Meister wurde, wohl nutzten die Trainer reichlich die mittlerweile erlaubten zwei Auswechslungen pro Spiel, doch zwischen Stammspielern und Ersatzleuten war weiterhin eine dicke Trennwand. Die Idee war, über eine möglichst starke Elf zu verfügen und möglichst wenig Ersatzspieler einsetzen zu müssen.
    Der VfL Bochum trotzte dem Meister Mönchengladbach am ersten Spieltag der Saison 77/78 ein 0:0 ab, doch Heinz Höher fand, sie waren, nach Kaczors Beinbruch, am Ende. Abends stürzte er mit Heinz Formann im Haus Frein zwei Bier und einen Klaren hinunter und begann zu singen: Immer wieder, immer wieder, immer wieeeder zweite Liga!
    Bist du bekloppt?, fragte Heinz Formann.
    Immer wieder, immer wieder, immer wieeeder zweite Liga!
    Hast du sie noch alle, ihr habt heute 0:0 gegen Gladbach gespielt. Ihr steigt niemals ab. Ihr habt Dieter Bast!
    Die Monate werden vergehen, die Leute werden vergessen, dass uns der erste Sturm fehlt, sie werden schreien: Höher raus! Ich sehe es ganz klar vor mir.
    Jetzt trink erst mal noch einen Klaren.
    Neben Kaczor fehlte bereits Heinz-Werner Eggeling nach einer Meniskusoperation, der Linksaußen, die Rakete; Bochums kompletter erster Sturm war ein Lazarett, dazu warteten sie weiterhin sehnsüchtig auf Jürgen Köper nach seinem Beinbruch.
    Die Sportmedizin hatte riesige Fortschritte gemacht, mit Ultraschallgeräten ließ sich feststellen, dass das, was man jahrzehntelang als Zerrungen bezeichnet hatte, Muskelfaserrisse waren. Doch die Genesung schwerer Sportverletzungen brauchte nun einmal Monate, halbe Jahre, das ließ sich nicht ändern. Als bei Jürgen Köper einmal ein Muskelfaserriss diagnostiziert wurde, operierte ihn der Arzt in der Sportklinik Hellersen, man hatte da eine ganz neue Methode, und Köper lag sieben Wochen im Krankenhaus, das Bein hochgelegt, an der Zimmerdecke fixiert, damit es nicht belastet wurde. Köper bestach den Nachtwärter mit zehn Mark und Freikarten für den VfL, damit er ihn wenigstens im Rollstuhl auf die Toilette schob. Das hatte der Arzt auch untersagt. Keine Bewegung, Köper sollte sich vom Bett aus in eine Pfanne erleichtern. Nach seinem Beinbruch absolvierte Köper erst einmal ein Aufbautraining im Kraftraum des Stadions an der Castroper Straße. Der Kraftraum bestand aus einem Kettler-Standfahrrad, das in der Ecke der Abstellkammer platziert worden war.
    Jetzt ziehst du erst einmal dein Kopfkissen zurate, verabschiedete Heinz Formann seinen Freund Höher in die Nacht nach Kaczors Beinbruch.
    Am nächsten Morgen berichtete Heinz Höher, er habe sich alles gut überlegt. Er trete als Trainer des

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