Spieltage
irgendwo bringe ich das Geld zusammen, darauf schwöre ich beim Leben meiner drei Söhne.
Den Angriff verstärken … Wer mir erzählen will, wie man Kaczor ersetzen kann, dem sage ich: Ich weiß es auch. Mit Klaus Fischer oder Dieter Müller und sonst mit niemandem.
Du bist verbittert. Ich verstehe das. Wir sprechen morgen noch einmal.
Heinz Höher trank noch ein Bier.
Am Montag variierte Ottokar Wüst seine Strategie ein wenig. Er weigerte sich weiterhin, den Rücktritt anzuerkennen, und installierte gleichzeitig mit dem langjährigen VfL-Spieler Dieter Versen einen neuen Trainer; vorübergehend, sagte sich Wüst. Dann begann er, nach Stürmern zu fahnden. Während Bundesligavereine stets versuchten, ihre Spielersuche geheim zu halten, erzählte Wüst Formann frei heraus, dass der VfL sich um Dieter Schwemmle vom AC Bellinzona und Hans-Günther Plücken vom Zweitligisten Union Solingen bemühe. Wüst hatte nichts dagegen, dass es in der Zeitung stand. Heinz Höher sollte erkennen, wie sehr sich der Verein um Abhilfe bemühte.
Michael Lameck, Klaus Franke, Heinz-Werner Eggeling und aus dem Krankenhaus Jupp Kaczor riefen bei Heinz Höher an.
Drei Wochen müsse er im Hospital bleiben, danach 13 Wochen Gips tragen, berichtete ihm Kaczor. Mensch, Trainer, unterbrach der Stürmer seinen Krankenbericht abrupt selbst: Irgendwie kann alles passieren, aber nicht, dass Sie uns verloren gehen. Das wäre doch viel schlimmer als mein Beinbruch.
Klaus Franke, der Abwehrspieler, sagte mit anderen Worten dasselbe. Ah, fügte Franke an, er habe Höher im WDR-Radio gehört. Kann es sein, dass Sie vor dem Interview was getrunken hatten, Trainer? So verästelt, so verschachtelt schienen Franke die Gedanken.
Getrunken? Nein, sagte Heinz Höher und bemühte sich, entrüstet zu klingen.
»Der WDR wusste schon den Nachfolger«, schrieb Heinz Formann am nächsten Morgen in der WAZ : »Herr Schwärmer solle zunächst Heinz Höher vertreten. Schwärmer heißt richtig Dieter Versen und leitete am Montag schon das Training.« Für wen hielten sich diese Radioleute aus Köln: Berichten einmal alle paar Jahre über den VfL und taten dann, als hätten sie Ahnung!
Ansonsten opferte Formann nahezu eine halbe Seite für Leserzuschriften. Er wählte die Zuschriften sorgfältig aus, sodass der WAZ- Abonnent Heinz Höher den Eindruck gewinnen würde, ganz Bochum dränge ihn zum Bleiben.
»Während meiner 20-jährigen Tätigkeit an der Goethe-Schule in Bochum habe ich mich vorwiegend der Schwimmausbildung gewidmet. Kein Vergleich natürlich mit der schwierigen Arbeit eines Trainers der ersten Bundesliga, aber ich bin mit der Materie vertraut. Weiß Heinz Höher eigentlich, wie viele Sympathien er inzwischen in Bochum hat?« Werner Gunther, Witzlebenstraße 1, 4630 Bochum 1.
»Lieber Herr Höher, eigentlich wollten wir Ihnen heute zum Geburtstag schreiben, jetzt aber haben wir uns zu diesem Leserbrief entschlossen: Bleiben Sie in Bochum – sonst ist unser ganzer Urlaub verdorben.« Markus und Jürgen Hoppe, z. Zt. in Wyk.
»Zwar bin ich inzwischen Inhaber einer Dauertribünenkarte, mit dem Herzen aber tatsächlich ein Mann der Kurve. Nach Kaczors Verletzung hätte ich meine Dauerkarte am liebsten ins Feuer geworfen. Ich habe es dennoch nicht getan, weil die Mannschaft nicht aufgegeben hat. Verdammt noch mal, Herr Höher, glauben Sie wirklich, Trainer wie Cajkovski schafften etwas, was Sie nicht schaffen? Ich bitte Sie aufrichtig: Wenn Ihnen der Mann der Kurve etwas bedeutet, dann bleiben Sie!« Name der Redaktion bekannt.
Am Mittwochmorgen, drei Tage nach seinem Rücktritt, stieg Heinz Höher in seinen silbernen 190er Mercedes und fuhr, am Blumenfriedhof vorbei, nordwärts. Pünktlich um zehn stand er auf dem Trainingsplatz, um die Elf des VfL Bochum auf das Auswärtsspiel beim 1. FC Köln vorzubereiten.
Die Versicherung von Präsident Wüst, die Angriffsnot, so gut es gehe, zu lindern, sowie der überwältigende Zuspruch seiner Mannschaft und der Fans hätten ihn bewegt, seinen Rücktritt rückgängig zu machen, sagte Heinz Höher. »Nur einer rief ›Schwein!‹ durchs Telefon. Aber da darf man vermuten, dass er sich nur vorstellen wollte.«
Die Leserbriefe in der WAZ befassten sich am nächsten Tag schon wieder mit der Roten Armee Fraktion und speziell der Frage, was Frauen in den Untergrund trieb. Wozu Leser Hartmut Strucksberg aus Essen anmerkte, ihm scheine es, dass viele Frauen die Teilnahme an einer Gewalttat fälschlicherweise
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