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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Monate später auch zu Heinz Höhers Idee sagen, ein Trainingslager vor einem Freundschaftsspiel abzuhalten.
    Nur Ata Lameck und Klaus Franke flogen nicht mit. Lameck heiratete. Franke hatte vergangenes Jahr auf Mallorca Fieber bekommen. Er fürchtete diese spanischen Bakterien.
    Ihre Zimmer waren noch nicht frei, als die Fußballer des VfL Bochum am Montagmittag im Hotel auf Gran Canaria ankamen. Sie setzten sich erst einmal an die Hotelbar. Nach einer Weile vergaßen sie die Zeit, den Ort und nach sechs Stunden voller Bier und Likör auch den Hunger. Sie zogen weiter in eine Bar.
    Auf dem Nachhauseweg – wie viel Uhr war es überhaupt? – lief Mittelstürmer Jupp Kaczor über eine Reihe geparkter Autos. Über den Autodächern Gran Canarias erklärte er allen in ordentlicher Lautstärke, warum der VfL niemals absteige. Zur Bekräftigung warf er mit einem Wodkaglas eine Leuchtreklame kaputt.
    Am nächsten Morgen bat Heinz Höher zum Strandlauf.
    Du musst es dem Trainer sagen, bedrängten die Mitspieler Außenstürmer Heinz-Werner Eggeling.
    Nee, ich sag ihm das sicher nicht.
    Eggeling teilte sich das Zimmer mit Kaczor.
    Schließlich einigte sich die Mannschaft während des Laufs darauf, dass Dieter Versen dem Trainer die Nachricht überbrachte. Versen hatte noch gemeinsam mit Heinz Höher in den Sechzigern für den VfL gespielt.
    Was? Heinz Höher beendete den Strandlauf auf der Stelle.
    Der Jupp Kaczor sitzt im Gefängnis, hatte ihm Versen gesagt.
    Angeblich, offenbar, keiner wusste es mehr so genau, hatte ihr Mittelstürmer auch noch versucht, den Hotelwirt mit einem Baustellenschild zu schlagen, weil der ihm mitten in der Nacht nicht schnell genug aufgemacht hatte.
    Nach einem Tag voller Verhandlungen kam Kaczor gegen Kaution frei.
    Wenn das rauskommt, steigen wir sicher ab, dachte sich Heinz Höher. Die öffentliche Erregung würde die Mannschaft wegblasen. Fahren mitten im Abstiegskampf an den Strand und lassen sich volllaufen. Es war nicht schwer, sich die Schlagzeilen auszumalen, auch nicht für Manfred Jüttner, den Bochum-Berichterstatter der Bild- Zeitung. Er war mit dem VfL nach Gran Canaria geflogen und hatte alles miterlebt.
    Manni, wenn du was schreibst, kriegst du in deinem Leben keine einzige Info mehr von uns.
    Bei aller Liebe, ich muss das doch schreiben.
    Wenn du das schreibst, sind wir tot, und du bist es auch.
    Ich werde doch nicht für das Verschweigen bezahlt, sondern für das Schreiben, das müsst ihr verstehen.
    Wir treffen ein Abkommen: Wenn wir gegen Hertha verlieren, darfst du es schreiben. Abgemacht?
    Am 29. Mai 1976, dem drittletzten Spieltag, verlor Jupp Kaczor in der 24. Minute im Strafraum von Hertha BSC das Gleichgewicht. Der Ball rollte noch vor ihm. Im Nu sprang er auf, drehte sich, und ehe die Zuschauer »wie Gerd Müller!« denken konnten, schoss er das 1:0. Teilweise über sechzig Meter sprinteten die Mitspieler zu Kaczor und begruben ihn unter ihrem Jubel. Irritiert beäugten die Berliner die Bochumer: Bei aller Liebe, warum schrien die wie die Urmenschen wegen eines frühen Führungstors?
    Bochum gewann ungefährdet 2:0. In den verbliebenen zwei Spielen sicherte Kaczor mit zwei weiteren Toren dem VfL Bochum den Verbleib in der Bundesliga. Manfred Jüttner hatte jede Menge heroische Geschichten zu schreiben. Er berichtete, ohne näher darauf einzugehen, von einem Teamgeist, der auf Gran Canaria entstanden sei.
    Viele Jahre nach der sagenhaften Rettung vom Frühling 1976 wurde ein grammatikalisch falsches Wort erschaffen, um dem permanenten Bochumer Kraftakt gerecht zu werden: Der VfL galt als unabsteigbar. Die Höher-Jahre bildeten den Gründungsmythos der Unabsteigbarkeit. Die Saison 1975/76 war der Gipfel dieses Gefühls.
    Als Heinz Höher im folgenden Sommer dachte, er müsse mal wieder – ähnlich wie durch seine Volkslaufteilnahme oder seine Flugzettel vor dem Opel-Werk – eine seiner speziellen Werbekampagnen starten, lief er ins Leere. Er verkündete in der WAZ, dass er die Ersparnisse für die Zukunft seiner Kinder aufs Spiel setze. 12000 Mark habe er für die Ausbildung seiner Kinder gespart, die setze er aus: Wetten, dass der VfL auch nächste Saison nicht absteige? Aber es fand sich niemand, der einschlug. Niemand traute sich noch zu glauben, dass dieser VfL absteige.
    Berauscht von der eigenen Energieleistung, beflügelt von der Aussicht auf das neue Stadion, wuchsen im Verein ganz andere Träume, als immer nur den Abstieg zu vermeiden. »Spätestens nächstes

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