Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
Beschwerden ab.«
Albrecht lehnte in einem Sessel, die Füße auf einem Schemel, und machte einen hinfälligen Eindruck. Sein Händedruck war schwach, die Augen ohne Glanz.
»Sackgasse?«, flüsterte der Patient und versuchte ein Lächeln, das ihm aber zu einer Grimasse geriet.
»Sieht so aus. Und nun ist auch noch eine Frau verschwunden. Vielleicht ist sie in der Hand des Mörders. Wenn wir den Kerl nicht schnell zu fassen kriegen, wird sie möglicherweise sterben.«
Du Esel, haderte er mit sich, als er sah, dass Albrecht noch blasser wurde, musstest du es so ausdrücken? Er schämte sich dafür, den Freund mit dem Fall belastet zu haben. Doch für einen geordneten Rückzug war es längst zu spät.
»Wer?«, wollte Albrecht wissen.
»Olga Schybulla. Früher hieß sie Sauer.«
»Und?« Skorubski ließ offen, ob ihm der Name bekannt vorkam.
»Ihre Tochter wurde in ihrer Wohnung überfallen, die Mutter ist nicht zu erreichen. Wir können nicht ausschließen, dass der Kerl sie entführt hat. Sie kannte alle bisherigen Opfer und arbeitet als Physiotherapeutin bei ›Turbine Potsdam‹.«
»Aha.«
»Ich dachte, vielleicht kannst du dich an sie erinnern.« Nachtigall gab ihm ein Foto, das Kiri ihm für die Fahndung überlassen hatte.
»Ist sie das?« Skorubski betrachtete das Gesicht lange und legte die Stirn in Falten. »Olga Sauer, sagst du. Olga Sauer.« Er sprach den Namen vor sich hin. »Das Gesicht kommt mir bekannt vor.« Er schwieg für einen Moment, als müsse er seine Kräfte sammeln. »Du fragst wegen des Fotos von der Grillparty. Weil du glaubst, wenn ich die anderen kannte, kenne ich vielleicht auch Olga. Vielleicht habe ich etwas mit den Morden zu tun? Als Hintermann, nicht an vorderster Front. Du denkst, ich verschweige dir etwas.« Als Nachtigall widersprechen wollte, schnitt Skorubski ihm mit einer lahmen Bewegung das Wort ab. »Lass gut sein! Du hast ja recht. Ich verschweige dir etwas. Zuerst – ich kannte die Leute nicht, nicht einen von ihnen. Damals war ich – aus heutiger Sicht – ein junger Mann. Aber ich fühlte mich schrecklich alt. Fast 30, der Gedanke war unerträglich. Also suchte ich den Kontakt zu Jüngeren, glaubte, ich könne mir selbst beweisen, wie wenig diese 30er-Schallgrenze in Wahrheit bedeutete. Irgendwo lernte ich einen Jan kennen, der immer irgendetwas vorhatte. Der war mit Gott und der Welt befreundet. Eines Abends nahm er mich zu dieser ominösen Grillparty mit. Ich dachte, ich könnte die Zeit anhalten. Das Altern stoppen, vielleicht für immer ein bisschen pubertär bleiben. Heute weiß ich, dass es schiere Angst vor dem wirklichen Leben und all dem war, was die Zukunft noch bringen würde.« Er seufzte schwer. »Wie zum Beispiel Krebs. Aber ich merkte gleich, dass mir diese zusammengewürfelte Truppe nicht helfen konnte. Im Gegenteil. Neben all diesen fröhlichen Jugendlichen kam ich mir erst recht alt vor. Ich hatte die ganze Episode längst vergessen – bis du mir das Foto unter die Nase gehalten hast. Nie hätte ich geahnt, dass es überhaupt eines gibt. Und dann auch noch mit meinem Gesicht drauf!«
»Warum hast du mir das nicht gleich erzählt?«, murrte Nachtigall. »Zu wenig Vertrauen?«
»Quatsch! Es war mir peinlich! Und abgesehen davon hätte dir mehr Vertrauen in mich auch nicht geschadet.«
Frau Skorubski kehrte mit einem Tablett aus der Küche zurück.
Geschäftig arrangierte sie Teetassen und Kanne auf dem Tisch und stellte ein paar Kekse in die Reichweite der Männer. Nachtigall hatte rasch das Thema gewechselt, um Albrechts Frau nicht zu beunruhigen. Sie diskutierten die langfristigen Konsequenzen aus den Ergebnissen der Fußball-WM in Südafrika für den DFB und die noch offenen Fragen in Bezug auf die Frauen-WM im Sommer. Baustellen überall, meinte Skorubski, der sich noch immer nicht beruhigen konnte, wenn er an die Wettskandale der letzten Zeit dachte.
»Olga Sauer!«, rief der Patient plötzlich aus und hätte um ein Haar seinen Tee verschüttet. »Klar, jetzt fällt es mir wieder ein. Die war eine Aussteigerin! Wollte nicht mehr Fußballerin werden. Einige haben ihr das ziemlich übel genommen. Und nach der Wende geriet sie unter Verdacht, bei der Stasi unterschrieben zu haben. Das war aber nicht zu beweisen. Und ehrlich gesagt, ich habe nie geglaubt, dass da was dran war.«
Nachtigall begegnete dem zornig-enttäuschten Blick von Frau Skorubski. Beschämt sah er auf seine Schuhspitzen hinunter. Keine 30 Minuten später saß
Weitere Kostenlose Bücher