Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
er schon wieder hinter seinem Schreibtisch und brütete über der Namensliste von Helmut Hallow.
Der Schatten hat den weißen Kleinwagen schnell gefunden.
Schließlich weiß ich ja um das Geheimnis der Frau Schybulla, denkt er zufrieden und grinst, das ist mehr, als ihre Tochter von sich behaupten kann. Auf der Autobahn hält er ausreichend Abstand.
Es ist nicht notwendig, das Risiko einzugehen, aufzufallen. Er weiß genau, wohin sie fährt.
Der Schatten zieht die Stirn in Falten. Durch die Einmischung der Polizei ist nun alles etwas komplizierter geworden, sein ursprünglicher Plan Makulatur. Das ist zwar schade, aber keine Katastrophe. Er wird ein bisschen umdisponieren müssen. Längst hat er einen neuen Plan.
Er öffnet das Fenster auf der Fahrerseite und schleudert mit einer blitzschnellen Bewegung die Sturmhaube hinaus, sieht im Rückspiegel, wie sie von den Rädern der nachfolgenden Autos in den Grünstreifen geschleudert wird. Prima, denkt er und lacht entspannt.
Sie verlassen die Autobahn, Ausfahrt Cottbus Süd. Frau Schybulla fährt Richtung Innenstadt.
Sie stellt ihren Wagen auf dem Parkplatz hinter der Oberkirche ab, steigt aus und will die Straße überqueren. Der Schatten läßt die Scheibe in die Tür gleiten.
»Olga? Olga Sauer? Was für ein Zufall! Nach so vielen Jahren gleich erkannt! Wohnst du auch noch in Cottbus?«
Mark stand im Flur und hörte der Stimme seiner Mutter zu, die in der Küche hantierte und vor sich hin schimpfte. Offensichtlich rekapitulierte sie einen Dialog, den sie mit Andy geführt hatte.
Wie konnte Andy nur solche Dinge über Manuela verbreiten? Das stimmte doch alles nicht.
Mark schob sich nah an den Türrahmen und beobachtete seine Mutter heimlich. Ihre Bewegungen wirkten fahrig. Sie war ganz offensichtlich wütend.
Mark schmunzelte wider Willen. Erzürnt, nannte sein Vater diesen Zustand seiner Frau, ein Wort, das außer ihm nur wenige Leute verwendeten. Sie drehte sich zum Herd um und stellte eine Pfanne auf die Platte. Mark zuckte zusammen.
So traurig hatte er seine Mutter erst selten gesehen. Es musste doch einen Weg geben, die Dinge wieder ins Lot zu bringen! Vielleicht lag das Problem darin, dass Andy mit Frauen kein vernünftiges Gespräch führen konnte. Mark wusste aus eigener Erfahrung, wie schwer es manchmal sein konnte, sich mit seiner Mutter zu unterhalten. Er dachte an den Nachmittag in der Eisdiele zurück. Andy war richtig nett gewesen, ein echter Kumpel.
Marks Entschluss war gefasst.
Von Mann zu Mann würden sie sicher eine Lösung finden für Manuela und Papillon und alle anderen auch.
Zwei Stunden später kehrte er zurück. Enttäuscht. Verletzt.
Aus der Küche waren Stimmen zu hören. Seine Mutter sprach mit seinem Vater über eine Beerdigung. Mark zögerte, war ratlos. Wussten sie es etwa schon? Das war doch nicht möglich! Langsam beruhigten sich seine wirbelnden Gedanken, er begriff, dass Papillon gestorben war.
Unendliche Traurigkeit erfüllte ihn, wie eine Schwärze ohne Boden.
Leise trat er in die Küche.
»Grundgütiger!«, schrie seine Mutter erschrocken auf. »Was ist denn mit dir passiert?«
Mit drei Schritten war sie bei ihm, drückte ihn fest an ihren wogenden Busen, nahm ihm beinahe die Luft zum Atmen. Sie zerrte ihn an den Tisch, drückte ihn auf einen Stuhl und stellte eine Tasse Tee vor ihn hin. Mark beobachtete, wie sie einen Löffel des kostbaren Langnese-Honigs einrührte. Als er aufsah, war sein Vater verschwunden.
»Was ist passiert?«, fragte sie fordernd. Ihre Stimme war ruhig und mitfühlend, die Hand auf Marks Unterarm fühlte sich warm, weich und ein wenig feucht an. Mark probierte einen Schluck von dem beruhigenden, süßen Getränk, spürte, wie die Hitze durch die Kehle brannte und sich in seinem Magen ausbreitete.
Und dann erzählte er ihr alles. Von seinem Treffen mit Andy.
Davon, dass er an Krücken gehen musste, aber dennoch mutig genug war, ihn, Mark, zu verhöhnen. Ihm ins Gesicht zu sagen, Manuela sei ein Stück Dreck und er froh sei, wenn sie und ihre Tochter verrecken würden. Davon, wie er sich über Andy zu ärgern begann, immer mehr, von seiner Enttäuschung, weil das nicht der Andy war, den er kannte. Er beschrieb auch die Wut.
Wie eine weiß glühende Sonne, die in ihm aufging und die Führung übernahm, die seine Hand direkt auf das Herz des anderen zielen ließ und sie dann zu einem kräftigen Stoß führte. Die Hand, die die ganze Zeit über das Messer
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