Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
fragte Irmchen argwöhnisch. »Damit sollte Schluss sein.«
»Keinen Tropfen«, log Mangold und schob verlegen die kleine Edelstahlflasche in die Innentasche seiner Jacke zurück. »Ich ruf dich an, sobald ich weiß, wie es hier weitergeht. Vielleicht muss ich ja gar nicht bleiben, sondern lasse nur Frau Kruse hier. Das wird davon abhängen, wie sich die Angelegenheit entwickelt.«
»Frau Kruse? Hajo, ich warne dich. Pass bloß auf deine Finger auf, nochmal nehme ich so was nicht einfach hin!«
»Ach, Irmchen! Das war doch alles nur ein großes Missverständnis. Ich liebe nur dich – und verspreche, immer mehr als eine Armlänge Abstand zu Frau Kruse einzuhalten«, lachte er seine eigenen Befürchtungen beiseite.
Wenig später steckte er sich einen Kaugummi in den Mund und verließ den Waschraum mit neuer Zuversicht. Im Besprechungszimmer warteten die anderen bereits.
»Schneider konnte sich an vier Namen erinnern. Er meinte, alle seien tolle Frauen gewesen, die jeder gern nach Hause geführt hätte. Aber am Ende war es eben immer Roland, der sie bekam.«
»Hatte er nicht behauptet, Roland habe seine Damenbekanntschaften nicht mit nach Hause gebracht?«, grantelte Nachtigall, der sich über Zeugen ärgerte, denen man die Wahrheit mühsam entlocken musste.
»Hab ich ihm auch gesagt. Aber er konnt’ das erklären. Seit er zum Tod von Roland befragt worden sei, beschäftige ihn das Thema – und so falle ihm immer mal das eine oder andere ein.«
»Hast du ihm gesagt, er darf uns gern anrufen, wenn er wieder eine spontane Erinnerung hat?«
Michael Wiener grinste vielsagend.
»Silvia Braun, Manuela Winter, Bettina Eckstein, Elvira Teichmann. Mal sehen, wer noch hier in der Stadt wohnt«, murmelte Nachtigall und schlug das Telefonbuch auf.
»So findsch’ die nie. Außerdem hat die Manuela gar nicht in Cottbus g’wohnt. Die ware’ alles Schülerinne’ an der Sportschul’, meint Schneider. Fußballerinne’ wohl. Manuela Winter hat in Klein Oßnig g’wohnt, Elvira Teichmann in Neupetershain.«
»Wenn die Damen geheiratet haben, stimmt der Name vielleicht gar nicht mehr«, warf Mangold ein.
»Lass mal, ich krieg das schneller raus«, behauptete Wiener. Dankbar überließ Nachtigall dem Kollegen die Namensliste.
Während Michael Wiener in seinem Büro im Internet recherchierte, saßen die drei anderen über den Akten und diskutierten.
»Schade, dass Frau Bauer nicht mehr wusste, woher die beiden sich kannten. ›Beruflich wahrscheinlich‹ ist ein bisschen zu unkonkret«, nörgelte Ankekatrin Kruse und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr.
»Wenn wir annehmen, dass die beiden Männer sich aus der Zeit an der Potsdamer Sportschule kannten, müssen wir herausfinden, ob sie mit anderen zum Beispiel ein Quartett gebildet haben. Vier sportliche Männer, die miteinander ausgehen, Mädchen treffen. So etwas. Vielleicht waren es auch fünf! Nur so können wir eventuell den Tod von Opfer zwei – und womöglich weitere – noch verhindern«, drängte Nachtigall. »Keiser starb sofort, Schaber entging diesem Schicksal zunächst. Warum? Hatte der Täter ihn aus den Augen verloren?«
»Unwahrscheinlich«, widersprach Mangold. »Im Zeitalter des Internets ist es gar nicht so einfach, jemanden zu verlieren. Du gibst bei Google den Namen ein und schon findest du Spuren von ihm.«
»Stell dir vor, Schaber überlebte die letzten Jahre nur, weil der Mörder keinen Zugriff aufs Internet hatte und sich einen Flug nach Brasilien nicht leisten konnte.«
»Denkbar wäre doch auch, dass Schaber von der Bedrohung gewusst hat. Deshalb ist er nur selten nach Deutschland zurückgekehrt«, steuerte Kruse bei. »Denn wenn er kam, besuchte er Familienfeiern mit einem kleinen, überschaubaren Kreis von Gästen. So hatte er alles im Griff!«
»Diesmal ließ es sich allerdings nicht vermeiden. Schaber ging wohl davon aus, dass nach 20 Jahren nun alles vergeben und vergessen sei – oder zumindest durch eine Aussprache von Mann zu Mann geklärt werden konnte.«
»Das ist die Frage: Wusste er nicht, wie heiß der Hass noch immer loderte? Oder gab es einen neuen Anlass, der ihn wieder entfachte?«, warf Nachtigall in die Runde.
»Er konnte sogar Kontakt aufgenommen haben und der andere täuschte vor, er wolle das Kriegsbeil begraben. Am Ende war das aber gelogen.« Kruses Augen leuchteten vor Aufregung, während sie sprach.
»Dann müssen wir ja nur noch rausfinden, worum es damals ging«, ergänzte Mangold sarkastisch.
Weitere Kostenlose Bücher