Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
und begann, hektisch mit den Armen um sich zu schlagen. »Oder ich rufe nach der Schwester.«
Betont langsam hob der Ermittler die Bilder von der Decke. »Schade, Herr Zobel«, sagte er leise.
Stummes Warten füllte den Raum wie Stopfwatte. Es machte das Atmen schwer und verlangsamte alle Bewegungen.
»Ich weiß, wer das ist«, quetschte Zobel mühsam hervor. »Das ist der Delegationschef der brasilianischen Fußballmannschaft. Frauenfußball.«
»Stimmt«, antwortete Nachtigall und beobachtete amüsiert, wie Mangold sich halb zur Wand drehte, damit Zobel nicht sehen konnte, wie er die Augen gen Himmel hob.
»Das wussten Sie schon, nicht wahr?«
Zögernd streckte Zobel die Hand aus und nahm dem Hauptkommissar eines der Fotos wieder ab. Die Aufnahme zitterte zwischen seinen Fingern. Tapfer schaute er in das verquollene Gesicht des Mannes, der in Dresden aus der Elbe geborgen worden war.
»Der ist ja ganz nass«, beschwerte sich Zobel, als tropfe das Flusswasser bereits in sein Bett.
»Wie gesagt, er wurde aus der Elbe gefischt.« Mangold gelang es nur noch schlecht, seine Ungeduld zu verbergen.
»Wenn das tatsächlich Johannes Schaber ist, hat er sich in den letzten Jahren allerdings erheblich verändert. Er war früher schlanker – nicht so aufgeblasen.«
»Möglich, dass der Tod ihn etwas verändert hat«, meinte Nachtigall.
»Aber auch die Hautfarbe. Also ich habe ihn nicht so blass in Erinnerung, eher dunkler.«
»Haben Sie ihn bei irgendeiner Gelegenheit mit Roland zusammen getroffen?«
»Schon möglich. Roland hat seine Freundeskreise nicht gern vermischt. Das lag daran, dass er für jedes seiner Leben ein anderes Ego hatte. Stellen Sie sich nur den Spagat vor, wenn der eine Lebenskreis sich mit dem anderen vermengte. Nein, das hat er immer vermieden, so etwas passierte höchstens zufällig und war ihm immer ausgesprochen unangenehm.«
Zobel betrachtete die Züge des Toten noch einmal eindringlich. »Ich muss ihm aber mal bei Roland begegnet sein, sonst würde ich mich ja nicht an sein Gesicht erinnern.« Der Zeuge legte den Kopf zurück und schloss die Augen.
Mangold signalisierte, er müsse dringend telefonieren und floh nach draußen.
Peter Nachtigall schwieg und wartete. Stoisch. Er war sich sicher, dass Zobel noch einige interessante Einzelheiten nennen würde.
Lange war nur der gleichmäßige Atem des Zeugen zu hören.
Dann fragte Zobel: »Ihr Kollege hat ein Alkoholproblem. Wussten Sie das schon?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Das rieche ich. Und er ist weg, oder? Nicht zum ersten Mal heute, richtig?«
»Ist Ihnen eingefallen, wann Sie die beiden zusammen getroffen haben?«, fragte der Ermittler unbeirrt.
Zobel spürte, dass Nachtigall sich nicht mit Allgemeinplätzen abspeisen lassen würde. Er räusperte sich und schlug die Augen wieder auf. »Ich bin mal unangemeldet bei Roland vorbeigekommen. Der hatte die Klingel nicht gehört und so öffnete mir Schneider. Bis in den Flur war zu hören, dass hinter Rolands Tür gestritten wurde. Schneider zuckte bloß mit den Schultern und ließ mich stehen. Ich habe eine Weile vor der Tür gewartet, nicht weil ich lauschen wollte, sondern weil ich hoffte, die beiden würden sich beruhigen.«
»Aber Sie konnten nicht verhindern, etwas zu hören!«
»Na, was sollte ich denn machen? Die haben sich angeschrien.«
»Und?«
»Ich weiß nicht genau, was Roland angestellt hatte. Johannes Schaber fluchte ständig ›das wird uns den Kopf kosten, die schmeißen uns raus. Am Ende wandern wir noch in den Knast‹. Na ja, das hat mich mehr als erstaunt, weil Roland sonst ein so wenig aufregendes Leben führte. Aus dem Geschrei ging aber klar hervor, dass Roland was verbockt und Schaber mit reingezogen hatte.«
»Es gab Gerüchte über Drogenhandel.«
»Hm. Das wäre schon schlimm gewesen. Dopen durfte man, solange es niemand merkte, aber Drogen, ne, ne, das war ein echtes Verbrechen.«
Die Tür ging auf und Mangold steckte seinen Kopf ins Zimmer.
Zobel nickte Nachtigall zum Abschied zu und fasste sich mit dem Zeigefinger an den linken Nasenflügel. Gut, dachte der Ermittler, ich werde aufpassen.
»Michael, kannst du bitte bei Sabine Wernke nachfragen, ob sie etwas über Johannes Schaber weiß?«
Eine halbe Stunde später war klar: Frau Wernke kannte Freunde aus dem Sport und aus dem privaten Cottbuser Umfeld, aber Schaber mit Sicherheit nicht.
»Peter, sie meinte, sie könne sich erinnern, dass einer aus Rolands Truppe nach Brasilien
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