Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
Seite der Frauen und Wiener zuckte ergeben mit den Schultern. »Dein Frauenbild scheint etwas verstaubt! Sieh mal, bei der Polizei arbeiten auch Frauen, beim Bundesheer kämpfen sie an vorderster Front.«
»Na, vielleicht hast du ja recht. Meine Mutter war einfach gern eine hundertprozentige Hausfrau, ging darin auf. Sie hat gekocht, gewaschen, Pflaster auf Wunden geklebt – konnte auch Fahrradschläuche reparieren und Lampen aufhängen. Bei Gelegenheit werde ich sie mal fragen, ob sie auch gern Fußball gespielt hätte«, schloss er nachdenklich.
»Dieselbe Sportschule, eine Position als Ausbilder«, grübelte Mangold laut, »vielleicht ist die Idee mit der großen Liebe doch nicht so abwegig.«
»Falls der Ansatz passt, muss es noch weitere Nebenbuhler gegeben haben.« Ankekatrin Kruse runzelte die Stirn. »War da eine besonders begehrte Mitarbeiterin oder Schülerin? Hat die sich tatsächlich mit den beiden Opfern eingelassen – oder ist das nur eine vom Täter gefühlte Liaison gewesen?«
»Wenn er sich das nur eingebildet hat, wird der Fall noch schwieriger zu lösen. Wer mag das zweite Opfer sein? Wir müssen jemanden finden, der uns über die Frauenbekanntschaften Auskunft geben kann.«
»Schneider? Zobel und der ABV? Veronica Bauer!«
Wiener nickte und stürmte in sein Büro.
Der Schatten biegt in einem scharfen Knick vom Weg ab und bewegt sich geschmeidig durchs Unterholz. An dieser Stelle ist es ziemlich dicht – für seine Zwecke ungünstig.
Nein, korrigiert er sich – es ist sogar verdammt schlecht.
Je länger die Leiche hier unentdeckt liegt, desto weniger bleibt von ihr übrig.
Am Ende wäre es womöglich nicht mal mehr genug für eine schnelle und zuverlässige Identifizierung!
Es läuft weiß Gott nicht nach Plan.
Und das ist durchaus ärgerlich.
So würde es der Polizei schwerfallen, den roten Faden zu entdecken und dann musste man so viel nachträglich erklären. Der Körper liegt unverändert. Immerhin. Offensichtlich hatten keine Tiere versucht, ihn zu verschleppen.
Ohne Reue oder einen Hauch Mitgefühl sieht die Gestalt auf den kalten Leichnam zu ihren Füßen hinab.
»Auf der anderen Seite wäre es völlig okay, wenn dir eine Ratte das zarte Gesichtchen wegfräße. Dieses Lärvchen, das du so gern für deine Zwecke benutzt hast. Weggeknabbert und entstellt! Ja, das wäre mir schon sehr recht – solange an anderer Stelle noch was zur Analyse übrig bleibt!«
Alle Ungeduld hilft nicht. Noch ist sie nicht gefunden worden. Könnte man das ändern? Nein, eher nicht. Es gibt noch viel zu tun, der Schatten darf nicht zu früh entdeckt werden. Nicht, bevor die Rechnung bezahlt ist! Geduld ist also gefragt. Am Ende wird die Polizei das Puzzle schon ordentlich gelegt bekommen.
Zum Abschied wandern die Augen der Gestalt noch einmal über den nackten Körper.
Selbst mit der grünlichen Fäulnisfarbe sieht dieser noch verdammt gut aus. Doch das wird sich schnell ändern. Die Zeit arbeitet dem Täter in die Hände, zumindest was diesen Punkt betrifft. Flüssigkeitsgefüllte Fäulnisbeulen würden sich nun bilden, entstellende Säckchen mit stinkenden Körpersäften, die Haut würde sich ablösen.
Fliegen sind schon reichlich da, umschwirren interessiert das Futterreservoir für ihre Nachkommen. Vereinzelt kriechen Maden auf dem grünlichen Fleisch umher.
Auch neugierige Käfer krabbeln aus allen Richtungen herbei.
Bald werden sich fleischfressende Säugetiere hier den Bauch vollschlagen.
Die Natur erobert sich den Menschen zurück, verleibt sich den toten Organismus ein.
Noch ein letzter kalter Blick. Schönheit ist so schrecklich vergänglich. Besonders nach dem Eintritt des Todes.
Mit einem tiefen Seufzer der Zufriedenheit wendet die Gestalt sich zum Gehen.
Nach wenigen Schritten erreicht sie wieder den Hauptweg, mischt sich einige Meter weiter unauffällig unter die anderen Spaziergänger und Hundehalter.
Man wird sie schon finden. Die Vergangenheit holt die Gegenwart ein.
»Ja, Irmchen. Mir tut es doch auch leid. Das kann noch dauern hier in Cottbus. Vielleicht muss ich über Nacht bleiben.« Hajo Mangold lehnte neben dem Händetrockner und drückte sich das Handy fest ans Ohr.
Irmchen war sauer. Kein Wunder.
Immerhin war er nach Dresden gezogen, um ihr nahe zu sein. Er hatte gemeint, die Zeit der langen Trennungen sei vorbei. Und nun war er schon gleich beim ersten Fall nicht am Abend zu Hause. Mist!
»Hajo – du hast doch nicht etwa was getrunken?«,
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