Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
auswanderte. Aber aus dem Umfeld Roland Keisers hat nie jemand darüber gesprochen. Sie glaubt, Johannes Schaber sei kein Freund gewesen, bestenfalls ein flüchtiger Bekannter.«
»Flüchtig passt gut«, gab Nachtigall sarkastisch zurück und informierte Mangold.
Mischte sich unter den Dauergeruch der Kaugummis nicht der Hauch von etwas Hochprozentigem?
Du lässt dich ins Bockshorn jagen, schimpfte er mit sich, was weiß Zobel denn schon?
Hajo Mangold starrte auf die staubige Straße.
»Gut, angenommen, die beiden waren nicht befreundet. Dann kannten sie möglicherweise eine dritte Person. Standen mit jemandem in Kontakt, ohne voneinander zu wissen, dass der andere sie auch kennt.« Nachtigalls Stimme war leise und Mangold musste sich in seine Richtung lehnen, um ihn verstehen zu können. »Es wird schwer, einen Hinweis auf Dritte zu bekommen. Oder wir haben auf einmal so viele mögliche Täter, dass wir Verstärkung anfordern müssen, um sie und ihre Geschichten zu überprüfen.«
»Meiner Erfahrung nach ähneln sich die Fälle, wenn junge Männer im Spiel sind. Am ehesten war es eine gemeinschaftliche Vergewaltigung. Du weißt doch, wie so etwas läuft: Die beiden sitzen zusammen in einer Kneipe und machen eine Frau am Nachbartisch an. Sie folgen ihr. Die Männer sind sich einig, die Frau wehrt sich, die Dinge nehmen ihren Lauf. Und nun rächt sich die Frau.«
»Wir müssen sie finden, bevor noch mehr Menschen sterben müssen.« Nachtigall zog die linke Augenbraue hoch. »Nach dieser Theorie hätte das Vergewaltigungsopfer 20 Jahre lang die Leiche ihres Peinigers in der Tiefkühltruhe aufbewahrt? Das ist mehr als unwahrscheinlich.«
»Zugegeben, es wäre ungewöhnlich. Aber können wir es deshalb ausschließen?«
»Ich glaube eher an eine Verbindung zum Sport. Denkbar wäre, dass Roland Sportler ausspioniert hat. Er könnte jemandem die Karriere verbaut haben. Der bringt nun die um, die dafür verantwortlich sind.«
»Das erklärt nicht, warum Schaber ausgerechnet jetzt sterben musste. Möglicherweise finden wir die Antwort auf diese Frage erst, wenn wir den Täter haben.«
»Wir drehen uns im Kreis. Die Drogengeschichte geht mir nicht aus dem Kopf. Stell dir vor, die beiden haben jemanden abhängig gemacht und nun rächt sich zum Beispiel der Lebensgefährte, Ehemann, Bruder.« Nachtigall starrte minutenlang schweigend vor sich hin. Unvermittelt murmelte er, mehr zu sich selbst: »Ich muss immer wieder an diese Frau denken, die durch die Gabe von Hormonen zu einem Mann wurde. Das muss schrecklich für sie gewesen sein. Stell dir vor, Keiser und Schaber waren für etwas in der Art verantwortlich.«
»Oder es geht doch um Doping. Keiser wusste natürlich darüber Bescheid, andere auch. Der erfolgreiche Athlet, der nun in aller Ruhe seine Gelder im Ruhestand genießen will, fürchtet mit einem Mal, die alte Geschichte könnte ihm die Ernte verhageln. Also macht er alle Mitwisser mundtot«, schlug Mangold vor, ohne auf die Worte des Kollegen einzugehen. Vielleicht hatte er sie auch einfach nicht gehört.
Nachtigall setzte gerade zu einer Antwort an, da brummte sein Handy in der Freisprechanlage.
»Ich habe eine Überraschung für euch! Ich konnte den Namen und die Adresse des ehemaligen Schulleiters in Potsdam ausfindig machen. Er ist vor Kurzem in den Ruhestand gegangen. Vielleicht kann er uns ja ’was über die Freunde von Keiser erzählen«, freute sich Wiener.
»Gut gemacht. Das hilft möglicherweise weiter. Roland hatte Rheuma. Sportliche Freunde hätten immer Rücksicht nehmen müssen. Berufliche nicht.«
»Er hat die Fußballdamen trainiert. Dabei musste er nicht mitrennen. Er entwickelte Trainingspläne und Übungseinheiten für den Muskelaufbau. Da kontrollierte er nur, ob die Damen die Übung auch richtig machen«, erklärte Wiener. »Das habe ich schon überprüft. Schaber dagegen kam als echter Trainer. Fußball für Jungs und Mädchen. Er spezialisierte sich zunächst auf den männlichen Nachwuchs und entdeckte sein Herz für den Frauenfußball erst in Brasilien.«
»Das heißt, die beiden hatten so viel nicht miteinander zu tun«, seufzte Nachtigall.
»Dann müssen wir wohl alle Alibis von damals überprüfen, von allen, die dort gearbeitet und trainiert haben? Dazu noch von denen, die zu diesem Zeitpunkt ausscheiden mussten, weil er vielleicht dabei seine Finger im Spiel hatte?« Mangold warf entsetzt die Arme in die Luft und dachte verzweifelt daran, was Irmchen dazu sagen
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