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Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Titel: Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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nicht einmal gesehen! Zu der Zeit habe ich gerade die Wärmepackungen wieder ins Gerät geschichtet. Ich habe natürlich die Praxistür gehört, danach auch die Stimme von Herrn Kowalski. Er war ganz offensichtlich besonders gut gelaunt. Die beiden haben gelacht.«
    »Aber es war ein Mann?«
    »Ich glaube schon.«
    Der Hauptkommissar runzelte die Stirn und fragte dann weiter: »Konnten Sie verstehen, worüber die beiden sich unterhalten haben?«
    »Herr Kowalski machte einen Scherz über die guten alten Zeiten, die man eben leider nicht zurückholen könne. Das sagte er manchmal zu Patienten, die sich allzu sehr über die Erscheinungen des Alters grämten.«
    »Das muss also nicht bedeuten, dass er die Person tatsächlich von früher her kannte.«
    »Nein.« Sofie zögerte. »Mir kam es aber so vor, als betone er es anders als sonst. Allerdings kann es genauso gut sein, dass ich mir das jetzt im Nachhinein einbilde.«
    »Diese Person war ungewöhnlich lang mit Ihrem Chef im Behandlungszimmer. Als Herr Kowalski auch nicht pünktlich zum Termin des nächsten Patienten erschien – was haben Sie da gedacht?«
    »Muss ich diese Frage beantworten?«, quetschte Sofie mühsam hervor.
    »Ich denke schon«, brummte Nachtigall begütigend.
    Die Sprechstundenhilfe atmete tief durch und streckte sich unbewusst. »Da saß Maximiliane Evert. Sie ist entsetzlich pubertär und schwer verliebt in Herrn Kowalski. Ich habe mich sehr gefreut, dass sie warten musste.«
    Nachtigall konnte gut nachvollziehen, was sie empfunden haben musste. Eine Szene, die er in seiner Sporteinrichtung erlebt hatte, fiel ihm ein. Damals hatte sich eine Endvierzigerin, turbogestylt und geschminkt wie zu einem Tanzstundenabschlussball, schrecklich darüber aufgeregt, dass man ihr einen anderen Physiotherapeuten zugewiesen hatte als sonst. Ihre schrille Stimme hallte durch die hohen Flure des Altbaus, sie zeterte laut und war kaum zu beruhigen. Damals hatte er auch daran gedacht, wie schwer es für manch einen der jungen Therapeuten sein musste, sich gegen solch klettige Frauen zur Wehr zu setzen. Er kämpfte gegen den Drang zu lächeln. In dieser Situation, schien ihm, wäre das unangemessen.
    Stattdessen hakte er nach: »In der Regel hielt er die Termine ein?«
    »Ja, pingelig sogar.« Sofie begann zu schniefen und fummelte ein zerknülltes Papiertaschentuch aus der Hosentasche. »’Tschuldigung. Er war immerhin seit drei Jahren mein Chef. So was verbindet.« Die feuchte Zellstoffkugel wurde energisch zurück in die Tasche geschoben. »Aber natürlich kam es gelegentlich vor, dass ein Patient unerwartet eine besondere Behandlung brauchte oder eine gründlichere Aufklärung notwendig war – in diesem Fall nahm Herr Kowalski sich auch die Zeit. Ein Heilpraktiker behandelt Menschen gern ganzheitlich.«
    »Kam es Ihnen heute seltsam vor?«
    »Schon. Ich hatte ja durch das Lachen und die Lockerheit, die ich bemerkt hatte, nicht den Eindruck, er habe einen Patienten getroffen und mitgebracht. Ich hielt es für ein privates Zusammentreffen. Und es ist in all den Jahren nie vorgekommen, dass Herr Kowalski seine Patienten wegen eines persönlichen Gesprächs hätte so lange warten lassen.«
    »Warum haben Sie nicht nachgesehen?«
    Sofie sah den Ermittler entgeistert an. »Das hätte jede Menge Ärger gegeben. Mein Chef wollte nicht von seiner Sprechstundenhilfe zur Ordnung gerufen werden!«
    Schweigen.
    »Aber ich wollte auch nicht, dass Maximiliane hier rumsaß und mich giftig anstarrte. Also schlug ich vor, sie könne nach Hause gehen und bekäme von mir einen neuen Termin. Doch diese pubertären Miststücke sind manchmal so unglaublich starrköpfig!«, brach es aus Sofie heraus. Erschrocken riss sie die Augen auf und schlug sich beide Hände vor den Mund, als könne sie die harten Worte wieder hinter die Lippen zurückstopfen.
    Nachtigall nickte verständnisvoll. »Sie hat das östrogengelenkte Verhalten des Mädchens gestört.«
    Sofie gab sich einen Ruck. Da es nun schon einmal angesprochen war, sah sie keinen Grund mehr, sich zurückzuhalten. »Gestört ist nicht das richtige Wort. Geekelt trifft es besser. Es widerte mich an. Du liebe Güte! Dieser Mann hatte eine Familie, eine Frau und zwei Kinder. Was erlauben sich diese hüftschwenkenden Küken eigentlich?«
    »War Ihr Chef anfällig für so was?«
    Nachtigall registrierte, dass Wieners Handy im Hintergrund klingelte – die Titelmelodie von ›Inspector Barnaby‹. Noch ein Opfer? Er merkte, wie ihm

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