Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
auszufechten«, staunte Marnie.
»Nur weil Frauenfußball inzwischen sehr erfolgreich gespielt wird, heißt das nicht, er wäre so akzeptiert wie die Männervariante«, seufzte Frau Schybulla. »Vielleicht schafft die WM eine neue Begeisterung.«
»Na, jedenfalls … ich laufe von der linken Außenverteidigerposition ins Mittelfeld und da rollt mir doch, ich weiß gar nicht woher, der Ball direkt in den Lauf. Und ich, ohne zu zögern, mit voller Kraft drauf – und Tor!« Kiri war nicht zu bremsen. »Nächste Woche darf ich zum Probetraining antreten. Ich bin jetzt schon so unglaublich aufgeregt.«
»Das ist nicht zu überhören.« Die Mutter warf einen liebevollen Blick auf ihre ehrgeizige Tochter und wuschelte ihr durch die kurzen Haare. »Noch Kaffee?«
Die Freundinnen nickten dankbar.
»Meine Mutter wäre auch gern Fußballerin geworden. So eine Profikarriere ist aber nur eine Chance für die Superguten. Hartes Training, keine Freizeit, keine privaten Vergnügungen. Sie sah ihre Zukunft eher in Heirat und Familie. Also sattelte sie um, wurde Physiotherapeutin. Da verdient man natürlich viel, viel weniger als im Profisport, kann den Job aber bis zur Pensionierung ausüben. Geld fließt regelmäßig und stetig, nicht in Schüben und unberechenbar. Ich glaube, sie mag es gern risikoarm.«
»Ich kann mir schon vorstellen, dass es große Schwierigkeiten mit sich bringt, wenn man in dem Job versucht, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Stell dir vor, du fällst ständig wegen Schwangerschaft und Erziehungszeit aus. Wenn du dann den jahrelangen Trainingsrückstand aufgeholt und wieder in die Mannschaft gefunden hast, wirst du womöglich schon mit dem nächsten Kind schwanger.«
Kiri kicherte albern. »Bei mir stellt sich die Frage im Moment nicht. Ich bin solo. Und wie wir aus dem Studium wissen, steht dieser Zustand der Fortpflanzung unvereinbar gegenüber. Aber wie sieht es denn bei dir aus?« Neugierig studierte sie das Gesicht der Freundin.
»Nun ja …«
In diesem Augenblick kehrte Frau Schybulla mit dem Tablett aus der Küche zurück und enthob Marnie einer Antwort.
»War das nicht schrecklich gruselig, eine Leiche zu finden?«, fragte Kiris Mutter, während sie den Kaffee in hohe Becher füllte und das Milchkännchen kreisen ließ. »Ehrlich gesagt, würde mich so etwas bis in meine Träume verfolgen. Hoffentlich fasst die Polizei den Täter bald! Vor dem ist vielleicht niemand sicher.«
Wie recht sie damit haben sollte, konnte Frau Schybulla nicht ahnen.
Der Schatten hat sie längst im Visier.
25
Maximiliane hielt sich für alt genug.
Ihre Eltern hatten dazu bedauerlicherweise eine völlig andere Meinung. Typisch Eltern eben. Erkannten nicht, dass ihr Kind die Grenze zum Erwachsensein schon lange überschritten hatte.
»Bedenkenträger!«, zischte das Mädchen zornig vor sich in die laue Abendluft.
Alles war perfekt.
Es war genau der richtige Tag für einen romantischen Spaziergang, auf einer Bank sitzen im Mondschein, küssen, kuscheln – und vielleicht noch mehr. Für ihre Begriffe zog sich die ganze Angelegenheit schon viel zu lang auf diesem milden Niveau hin. Schmetterlinge im Bauch waren ja ganz nett, aber auf die Dauer reichten sie nicht. Heute war ihr letzter Termin bei Wladimir. Und ob sie ein neues Rezept bekäme, stand in den Sternen.
Beim letzten Mal hatte ihre Hausärztin richtig gezickt.
Bei jedem Schritt legte sie sich zurecht, wie es ablaufen würde. Wladimir war mit dem Ergebnis seiner Bemühungen sehr zufrieden. Schön. Sie nicht. Klar, die manuelle Therapie hatte geholfen – aber sonst? Im Privaten? Nichts! Dabei wusste sie genau, dass Wladi, wie sie ihn in Gedanken zärtlich nannte, seit der ersten Sitzung Feuer gefangen hatte. So etwas merkte man schließlich als Frau.
Vor einer Woche hatte sie beschlossen, sich anzusehen, wie er lebte, wenn er nicht in der Praxis war.
Das war nicht ganz korrekt, rügte sie sich nachsichtig, sie wollte sich seine Familie ansehen, wollte wissen, wie seine Frau aussah, ob sie ihr, Maximiliane, würde das Wasser reichen können.
Um das herauszufinden galt es, sich besonders geschickt zu verhalten.
Sie druckte eine lange Liste von Fragen aus dem Internet aus, zog sich sehr erwachsen an und klingelte kurzerhand an seiner Haustür.
Sie führe im Rahmen ihres Studiums eine wichtige Umfrage durch, behauptete Maximiliane dreist, und müsse möglichst viele Familien zu unterschiedlichen Lebensaspekten
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