Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
anderen und ermögliche es, den Ermittlungen neue Horizonte zu geben.
Diesmal allerdings steckten sie dennoch fest.
Nachtigall sah, wie ein Schatten hinter den Fenstern hin und her lief. Wahrscheinlich bereitete Frau Kowalski das Abendessen zu, freute sich auf einen ruhigen und entspannten Abend. Daraus würde nun der Auftakt für eine Katastrophe. Entschlossen drückte er auf die Klingel.
Fast unmittelbar nach dem ersten Ton des Türgongs riss ein Knirps die Haustür auf und kam zum Gartentor gerannt. Dort blieb er auf seiner Seite des Zauns stehen und musterte die Besucher eindringlich. Plötzlich, als habe er genug gesehen, machte er kehrt und lief zum Haus zurück.
»Mama! Mama! Da draußen stehen zwei Männer. Einer ist sooooooo dick!«, rief er dabei aufgeregt.
Schuldbewusst glitten die Hände des Hauptkommissars über die deutliche Wölbung unter dem schwarzen Hemd und er seufzte. Früher wäre dem Jungen eher die Größe als die Figur aufgefallen.
Eine kräftige, untersetzte Frau erschien in der Tür, nahm im Vorbeigehen den Jungen hoch. Setzte ihn auf der Hüfte ab. Kam zum Tor. Bevor Nachtigall etwas Erklärendes sagen konnte, meinte sie nicht unfreundlich, aber doch kategorisch: »Sie sind hier falsch. Der Vortrag der Weight Watchers zum Thema Ernährung, Gesundheit und Gewicht findet in der Praxis meines Mannes statt. In Cottbus. Hier ist nur seine Privatadresse. Sie müssen sich aber ziemlich beeilen, wenn Sie noch rechtzeitig da sein wollen.«
Nachtigall räusperte sich. »Ich suche nicht die Weight Watchers …«, begann er und wurde prompt unterbrochen.
»Sondern?«, fragte sie aggressiv zurück.
»Wir sind von der Kriminalpolizei Cottbus. Können wir bitte reinkommen?« Dabei fummelte er ungelenk seinen Dienstausweis aus der engen Gesäßtasche.
»Ja?« Ihre Stimme klang unsicher. Langsam setzte sie den Steppke ab. »Lauf schon mal rein. Deine Schwester soll das Sandmännchen einschalten.«
Sofort stürmte der Kleine johlend davon.
»Ist etwas passiert? Mein Mann hatte einen Unfall? Mit dem Auto?« Frau Kowalski öffnete zögernd die Gartenpforte und ließ die Männer ein.
Mit einer leichten Kopfbewegung signalisierte Nachtigall seinem Kollegen, er möchte nach den Kindern sehen. »Es tut mir leid, aber ich habe eine schreckliche Nachricht für Sie. Wir haben vor etwa zwei Stunden Ihren Mann in seiner Praxis tot aufgefunden.«
Langsam ging die Frau vor ihm den Kiesweg entlang, die Augen fest auf den Boden gerichtet.
Hatte sie ihn nicht verstanden?
»Es war kein Unfall. Ihr Mann wurde das Opfer eines Mordanschlags«, schob der Hauptkommissar nach.
Unter einem der Fenster stand eine Bank. Frau Kowalski steuerte darauf zu und sie setzten sich. Die Hand in ihrem Schoß zitterte leicht.
»Ermordet?« Sie fuhr zusammen, als schrecke sie vor ihrer eigenen Stimme zurück, wie ein nervöses Springpferd vor dem Wassergraben.
»Ja. Man hat ihn erstochen.«
Sie weinte nicht. »Ich habe ihn immer gewarnt. Diese Leute, die von Stimmen erzählen, die ihnen auftragen, die Geranien im Blumenkasten des Nachbarn mit Essig zu gießen oder behaupten, sie würden von einer fremden Macht kontrolliert und abgehört. Überall seien Mikrofone versteckt. Die sind manchmal auch gefährlich.«
»Solche Patienten hat ein Heilpraktiker auch?«
»Ja. Manche erhoffen sich von ihm eine wirksame Therapie, nachdem die Schulmedizin nicht richtig helfen konnte. Andere kommen zur Massage, weil sie durch den Stress, den die Stimmen verursachen, und all die Maßnahmen, die sie gegen die fremden Mächte ergreifen müssen, schrecklich verspannt sind.« Sie sprang auf und lief schnell ins Haus. Während Nachtigall noch überlegte, ob er ihr folgen solle, kehrte sie bereits zurück.
»Ich wollte nur nach den Kindern sehen. Alles in Ordnung. Sie sitzen mit Ihrem Kollegen auf der Couch und sehen einen Tierfilm.«
»Wir glauben nicht, dass einer seiner Patienten ihn getötet hat …«
»Also hat nun doch ein eifersüchtiger Ehemann zugestochen!«, fiel sie dem Ermittler ins Wort. »Oder ein durchgeknallter Vater, der sich für die Defloration seiner Tochter rächen wollte! Aber er konnte die Finger nicht von ihnen lassen.« Ihre dunklen Augen waren hart und kalt.
»Sofie denkt immer, ich sei ein bisschen naiv. Aber Sie glauben gar nicht, wie dreist diese dummen Mädchen sind! Sie kommen her, klingeln mit den idiotischsten Begründungen an unserer Tür, nur um einen arroganten Blick auf die Familie zu werfen, die
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