Spielzeugsoldaten
die noch immer tief und fest schlief. Dann machte sie sich auf den Weg. Sie wollte zum aller ersten Mal an der Morgenmeditation teilnehmen . Vielleicht würde es ihr helfen, wenn sie ihre Gedanken zur Ruhe brachte. Ihr Herz zitterte als die ersten Melodien der Gebete in ihrer Brust widerhallten .
~*~
Es war Juli unbegreiflich wie sie die letzten Stunden jemals vergessen sollte. Seit sie das Kloster betreten hatten, änderten sich die Dinge. Sie wendeten sich in jede erdenkliche Richtung, nur fern ab von dem was sie ei nmal gewesen waren. Raku war eine andere. Jemand, den Juli bereits hinter Rakus Fassade aus Ehrgefühl, Kälte und Härte erahnt hatte. Es schien Juli als sei Raku angekommen, zurückgekommen. Und dann die letzte Nacht: D er Schatten, den sie beobachtet hatte, der ihre Sehnsucht unerträglich gemacht hatte. Sehnsucht nach dem Körper, der sie die ganze Nacht gehalten hatte. Und jetzt, der Morgen: Raku in einem Gewand der Mönche, betend und meditierend in einem der Schreine. Das Bild fesselte sie noch immer, wenn sie es vor ihrem inneren Auge sah. Es war ein freudiger Schmerz, der ihr e Gedanken umklammerte, wenn sie daran dachte, das s Raku vielleicht dabei war Frieden zu finden. Die lauten Kehlgesänge der Gebete hallten in den steinernen Gängen wieder. Julis Herz drohte im Echo der tiefen, bebenden Klänge weiter zu schlagen. Ihre Beklemmung bebte im Rhythmus der Schellen, während sie durch das Kloster ging. Chenti hatte sie zum Essen begleitet, doch Juli wollte sich nicht lange aufhalten lassen. Sie wollte zu Raku, wollte in ihrer Nähe sein, mit ihr sprechen. Es dauerte n icht lang bis Juli sie fand. Juli war einem der lange Gänge gefolgt, welche die einzelnen Gebäude des Klosters verbanden und da erblickte sie Raku im Vorbeigehen an einem der lang gezogenen Fenster. Sie saß auf einer der breiten Klostermauern. Der kalte Wind strich durch ihre langen, dunklen Haare. Ihr Körper war eingehüllt in ein dickes Fell. Ihr Blick in die Ferne gerichtet, in Richtung Patrona. Die Morgensonne war in ihrem Rücken und das sanfte Rot des Sonnenaufgang färbte den blassen Himmel. Du nst l ag über den Tälern vor ihr . D ie schwachen Sonnenstrahlen glitze rten auf Schnee und Raureif, die das ganze Kloster in ein strahlendes W eiß getaucht hatte n . Juli scherte sich nicht um die Kälte. Sie nahm sich nicht die Zeit, sich etwas wärmere Kleidung zu holen. Für einen Augenblick ließ sie auf sich wirken, was sie sah, dann schritt sie nach draußen.
Raku war zufrieden. Es machte sie stolz, dass sie das so frei denken konnte. Einfach nur da zu sitzen und den Horizont zu beobachten, erfüllte sie mehr, als es jeder militärische Erfolg bisher getan hatte. Sie wusste, sie hatte aufgehört Major Avis zu sein, in dem Moment als sie Juli gepackt hatte und sie geflohen waren, aber ihre Sinne waren noch immer die eines Soldaten. Sie hörte Schritte im Schnee und drehte sich um. Der Anblick von Juli, wie sie die Treppen aus dem Kloster hinunter zu ihr ging, schnürte ihr die Kehle zu. Die Ruhe des Klosters setzte Gefühle frei, die sie zu lange beherrscht hatte. Nicht einmal die Meditation am Morgen hatte es geschafft, ihren Gedanken Ruhe zu geben.
„Du hast nicht gegessen.“ Juli lächelte.
Raku schüttelte nur den Kopf. „Nein, ich kann nicht. Was machst du hier draußen? Du wirst erfrieren, wenn du so wie du bist, länger hier rumstehst.“
„Ich wollte zu dir.“
Das zauberte ein Lächeln auf Rakus Gesicht. Der Blick in Julis Augen verriet ihr, dass nichts verloren war, dass noch nichts zu spät war. Es hatte nur noch nicht begonnen. Viel leicht jetzt, vielleicht heute.
Juli kam näher und wartete Rakus Reaktion ab. Was sollte sie denn sagen? Wie sollte sie ihr begreiflich machen, was sie wirklich wollte? Plötzlich bewegte Raku sich, sie hob das Fell ein Stück an und zögerte einen Augenblick, dann sagte sie: „Hier wäre noch Platz.“
Sie hoffte inständig, dass Juli verstand.
Juli jubelte still, nu r für sich. Es würde beginnen, jetzt. Was hatte sie noch zu verlieren? Sie kletterte auf die Mauer und erschrak. Ihr Blick fiel hinunter ins Tal. Das Kloster stand an dieser Seite den Klippen in die Tiefe am nächsten und unter sich sah sie nichts als den Schnee, und das Gestein der Felsen.
„Oh, Gott!“ flüsterte sie und erntete ein Lachen von Raku, als sie unbeholfen auf das Fell kletterte.
„Keine Angst. Ich halt dich fest.“
Juli hatte sich zwischen Rakus Beine gesetzt
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