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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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er sich bei Schweinen verhielt.
    Mit ihrer Arbeit begannen sie auf den »heißen Farmen«, wo die Infektion noch unter den Tieren wütete. Eine solche Farm konnte man schon von Weitem erkennen: Die Bezeichnung »Eine-Meile-Bellhusten« stammt von Field. Er und die anderen Wissenschaftler wollten von kranken Schweinen Proben nehmen und dann nach einem Virus suchen, das zu dem passte, das Paul Chua bei dem Schweinebauern isoliert hatte. »Genau das geschah dann auch«, sagt Field. Sie schickten Probenmaterial an das Australian Animal Health Laboratory in Geelong, und dort isolierten Kollegen ein Virus, das Paul Chuas Fund entsprach. Der letzte Beweis für die Übereinstimmung kam von Abu Bakars Arbeitsgruppe in Kuala Lumpur. Damit war bestätigt, dass Schweine die Verstärkerwirte für das gleiche Nipah-Virus waren, an dem die Menschen starben, aber wo es sich letztlich aufhielt, wusste man deshalb noch nicht.
    Währenddessen hatten die malaysischen Behörden eine Massentötung angeordnet: In allen Betrieben, die von der Epidemie betroffen waren, musste jedes Schwein, ob infiziert oder nicht, gekeult werden. Manche Farmen waren schon vor der Entdeckung des neuen Virus von ihren verängstigten und verstörten Betreibern aufgegeben worden. In manchen Regionen waren die Menschen sogar aus ihren Häusern geflüchtet; Sungai Nipah war eine Geisterstadt. Am Ende der Epidemie hatten sich mindestens 283 Menschen infiziert, und 109 davon waren gestorben, eine Sterblichkeit von fast 40 Prozent. Niemand wollte mehr Schweinefleisch essen, anfassen oder kaufen. Man ließ die Schweine in ihren Ställen verhungern. Manche Tiere brachen aus, streiften wie wilde Hunde über die Landstraßen und suchten nach Nahrung. In Malaysia gab es zu jener Zeit 2,35 Millionen Schweine, die Hälfte davon auf Farmen, die von Nipah betroffen waren. Das Ganze drohte apokalyptische Formen anzunehmen: Herden von infizierten Schweinen, die wütend durch leere Dörfer stampften. Eine Armee von Tötungskommandos, zu denen Soldaten, Polizisten und Tiermediziner gehörten, zog mit Schutzanzügen, Handschuhen, Gesichtsmasken und Schutzbrillen durch die ländlichen Gebiete. Sie hatten den Auftrag, mehr als eine Million Tiere zu erschießen, zu vergraben oder auf andere Weise zu entsorgen, und das auch noch schnell und ohne überall mit dem Virus herumzuspritzen. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen steckte sich mindestens ein halbes Dutzend Soldaten an.
    117 Anm. d. Ü.: Zur Ordnung Fledertiere (Chiroptera, englisch bats) gehören die Fledermäuse (Microchiroptera, englisch microbats) und Flughunde (Macrochiroptera, englisch macrobats oder fruit bats). Während Fledermäuse in der Regel Insekten fressen, stehen bei Flughunden vor allem Früchte auf dem Speisezettel.
    118 New Straits Times , 7. Januar 1999
    119 Der Experte war Hume Field; das Zitat stammt aus einem Interview des australischen Fernsehens.



Field und das internationale Team besuchten auch Höfe, die nun nicht mehr » heiß« waren, wo die Infektion gekommen und wieder gegangen war. An solchen Stellen entnahmen sie den überlebenden Schweinen Blut und testeten es auf Antikörper. Wie sich dabei herausstellte, war das Virus unter Schweinen offenbar extrem ansteckend, allerdings nicht besonders virulent. Auf den infizierten Farmen besaßen in der Regel zwischen 80 und 100 Prozent der Schweine die Antikörper. Sie waren also viel bessere, tolerantere Verstärkerwirte als die armen Pferde in Australien, die an Hendra erkrankt waren. Wäre das Nipah-Virus nicht als Zoonose in der Lage gewesen, auf Menschen überzuspringen und eine tödliche Erkrankung hervorzurufen, dann, so Field, hätte es wahrscheinlich nicht mehr bewirkt als »eine kleine Delle in der Produktivität« der malaysischen Schweinezucht.
    Wie viele solcher Erreger bahnen sich wohl ihren Weg durch die Massentierhaltungsbetriebe rund um die Erde? Wie viele RNA -Viren erreichen in unseren Landwirtschaftsfabriken eine hohe Evolutionsgeschwindigkeit (weil sie sich schnell vermehren, häufig mutieren, eine große Population haben und in großen Tierherden zu Hause sind)? Wie groß ist angesichts solcher Zahlen die Wahrscheinlichkeit einer Mutation, die das Überspringen erleichtert?
    Vielleicht wird die nächste Pandemie von einem Schweinezuchtbetrieb in Malaysia ausgehen, mit exportierten Sauen nach Singapur gelangen und sich von dort wie SARS mit dem Flugzeug in die ganze Welt verbreiten, beispielsweise in der Lunge eines Touristen oder eines

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