Spillover
Flugbegleiters, der in einem jener hippen Cafés an der Uferpromenade ein Gericht wie Mu Shu Pork gegessen hat. Vergessen wir einmal die Larvenroller und betrachten wir die Massentierhaltung. Schweine, Kühe, Hühner, Enten, Schafe oder Ziegen in einer Reihenuntersuchung auf irgendein Virus zu testen, ist nahezu unmöglich, solange man dieses Virus (oder zumindest einen nahen Verwandten) nicht identifiziert hat, und mit entsprechenden Bemühungen haben wir gerade erst begonnen. Und die zoonotische Pandemie von morgen ist heute vielleicht nicht mehr als »eine Delle in der Produktivität« irgendeiner Branche mit Intensivtierhaltung.
Nipah hält noch andere Lektionen bereit; sie sind nicht ganz so bedeutsam, aber ebenso faszinierend. Eine führt uns wieder zu den Fledertieren.
70
Süße Früchte
Nach drei Wochen zog sich Hume Field aus den Untersuchungen an den Schweinen zurück und machte sich zusammen mit dem malaysischen Tierarzt Mohd Yob Johara und einigen anderen Kollegen auf die Suche nach der Herkunft des Virus. Die Klärung dieser Frage war schließlich der Grund gewesen, warum man ihn gebeten hatte, sich dem internationalen Krisenteam anzuschließen – immerhin hatte er schon Hendra, ein eng verwandtes Virus, zu seinem Reservoirwirt zurückverfolgt.
Fields kleine Arbeitsgruppe zog nun die Parallelen zu Hendra und konzentrierte sich vor allem auf die Fledertiere, die in Malaysia mit einer großen Artenvielfalt vertreten sind, darunter 13 fruchtfressende und ungefähr 60 insektenfressende Arten. Bei zwei der einheimischen Früchtefresser handelt es sich um Flughunde, große Tiere mit gewaltiger Flügelspannweite, die zur selben Gattung Pteropus gehören wie die Reservoirwirte von Hendra in Australien. Die kleinen Fledermäuse wurden mit Vogelnetzen gefangen, die man in der Nähe ihrer Futter- und Schlafplätze aufbaute. Für die Flughunde bediente sich das Team einer eher opportunistischen Methode. Die Jagd auf Fledertiere ist in den meisten Teilen Malaysias gestattet, also begleiteten Field und Johara Sportjäger in den Wald und entnahmen den erlegten Tieren mit Erlaubnis der Jäger Proben. Manche Jäger schossen auch Wildschweine; deren Gewebsproben sollten verraten, ob das Virus von Hausschweinen auf ihre wilden Vettern übergegangen war. Eine andere Gruppe des internationalen Teams sammelte ungefähr zur gleichen Zeit Proben von Haushunden, Ratten, Hausmäusen, Hühnern, Enten und Tauben. Beide Gruppen wollten die gleiche drängende Frage beantworten: Wo versteckt sich das Virus außerhalb der Schweinefarmen?
Bei Wildschweinen, Ratten, Spitzmäusen und Vögeln fielen die Tests negativ aus – keine Spur von Nipah oder Nipah-Antikörpern. Einige Hunde waren im Antikörpertest positiv, vermutlich weil sie mit erkrankten Schweinen zusammengelebt oder deren Fleisch gefressen hatten. Die Hunde gaben das Virus offenbar weder untereinander noch auf Menschen sonderlich stark weiter – manche Indizien legen allerdings die Vermutung nahe, dass es gelegentlich zu einer Übertragung von Hunden auf Menschen kam. Die meisten Fledertiere waren ebenfalls negativ, mit wenigen Ausnahmen, und davon fielen zwei besonders auf: In ihren Populationen waren Antikörper gegen Nipah deutlich weiter verbreitet. Es handelte sich um den Insel-Flughund ( Pteropus hypomelanus ) und den Kalong-Flughund ( Pteropus vampyrus ). Das war angesichts der sonstigen Ähnlichkeiten zwischen Nipah und Hendra keine Überraschung, trotzdem war damit immer noch nicht bewiesen, dass Fledertiere als Reservoirwirte dienen. Antikörper deuten nur auf einen Kontakt mit dem Erreger hin, lebende Viren waren in den Proben, die Field und Johara gewonnen hatten, nicht enthalten.
Ein solcher Fund blieb Paul Chua vorbehalten, der nach seiner Arbeit in Fort Collins und Atlanta nach Malaysia zurückgekehrt war. Im weiteren Verlauf des Jahres 1999, nach dem Aufruhr, den die Tötung von einer Million Schweinen ausgelöst hatte, und nachdem die Epidemie bei Menschen zum Stillstand gekommen war, suchten Chua und seine Arbeitsgruppe eine Flughundkolonie auf und probierten es mit einer anderen Methode. Statt Flughunde zu erschießen und ihnen Gewebe zu entnehmen, spannten sie unter den Schlafplätzen große Plastikplanen auf, um ein paar kostbare Tropfen Flughundurin aufzufangen. Unter den Futterplätzen sammelten sie Proben in Form angefressener Früchte. Zum Teil handelte es sich um Mangos, sie fanden aber auch einen lokalen Leckerbissen namens jambu air oder
Weitere Kostenlose Bücher