Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
Vom Netzwerk:
Bangladesch von einer neuen Epidemie. Schauplatz war dieses Mal der Distrikt Faridpur, der am rechten Ufer des Padma River unmittelbar an Rajbari angrenzt. In dieser Gegend macht das städtische Getriebe des Großraumes Dhaka, der in Form von Stahl und Beton immer weiter in die Höhe wächst, der schlammigen Flussdeltalandschaft des südlichen Bangladesch Platz. Die Straße ist von Reisfeldern gesäumt. Auf leeren Grundstücken wachsen Palmen und Bananenbäume wie Unkraut. Von den 36 Patienten in Faridpur starben 27. Und das Muster der Sozialbeziehungen zwischen den Betroffenen gab Anlass zu einer weiteren Besorgnis, die sich schon im Zusammenhang mit der Epidemie von Chandpur breitgemacht hatte: Manche Menschen hatten sich bei anderen Menschen angesteckt. Wie ein Wissenschaftlerteam feststellte, steigert eine solche Übertragung von Mensch zu Mensch »das Risiko der weiteren Verbreitung dieses höchst gefährlichen Erregers. In einem armen, dicht bevölkerten Land wie Bangladesch könnte ein tödliches Virus sich schnell ausbreiten, bevor wirksame Gegenmaßnahmen umgesetzt werden.« 121 Mit ihrer vorsichtigen Wortwahl meinten sie: Es könnte sich verbreiten wie ein Buschfeuer.
    Dann kam die nächste Epidemie, die fünfte innerhalb von vier Jahren in Bangladesch, dieses Mal im Distrikt Tangail ungefähr 100 Kilometer nordwestlich von Dhaka. Zwölf Fälle, elf Tote, alle im Januar 2005. Allmählich sah es so aus, als werde ausschließlich Bangladesch hartnäckig von dieser tödlichen Krankheit heimgesucht, die in den ersten Monaten jedes Jahres wiederkehrte. Malaysia hatte keine weiteren Epidemien verzeichnet. In Indien hatte es nur eine einzige gegeben, und zwar unmittelbar nördlich der Nordwestgrenze von Bangladesch. In allen anderen Regionen der Welt war Nipah unbekannt. Wieder machte sich ein Team von Dhaka auf den Weg, führte eine Studie durch und suchte nach der Ursache des Übersprungs. Der Leiter der Arbeitsgruppe war Stephen Luby, ein amerikanischer Arzt und Epidemiologe der CDC , der als Programmleiter beim Internationalem Zentrum für die Erforschung von Durchfallkrankheiten in Bangladesch (abgekürzt ICDDR,B ), bekannter jedoch als »Cholerakrankenhaus«, nach Dhaka abgeordnet war. Er arbeitete eng mit Mahmudur Rahman zusammen, seinem Ansprechpartner beim Gesundheitsministerium des Landes.
    Wie zuvor Montgomerys Gruppe, so erkundigten sich auch Lubys Leute bei den Menschen nach potenziell gefährlichen Tätigkeiten. Was hatten Patienten, die erkrankten und starben oder erkrankten und gesund wurden, anders gemacht als ihre Nachbarn, die gesund geblieben waren? Über die Toten erhielten sie Auskunft von überlebenden Angehörigen oder Freunden. War die betreffende Person auf einen Baum geklettert? Manche hatten es getan, die meisten aber nicht, und das galt sowohl für die Patienten als auch für die gesunden Kontrollen. Hatte die betreffende Person ein Schwein angefasst? Nein, niemand hier fasste Schweine an. Hatte sie einen Flughund angefasst? Nein, niemand. Eine Ente? Ja, aber wieso, das tun viele Leute. Ein krankes Huhn angefasst? Eine Guave gegessen? Eine Banane gegessen? Ein Tier gegessen, das zum Zeitpunkt der Schlachtung krank war? Eine Sternfrucht gegessen? Jemanden angefasst, der Fieber hatte, an Verwirrungszuständen litt und später gestorben war?
    Schon die Fragen sind wie Pinselstriche auf einer Skizze des Dorflebens in Bangladesch. Aber keine von ihnen – in diesem Fall nicht einmal die nach dem Klettern auf Bäume – lieferte irgendeine statistisch signifikante Unterscheidung zwischen den Erkrankten und jenen, die gesund geblieben waren. Die fand Lubys Team nur mit einer einzigen Frage: Haben Sie kürzlich unbehandelten Dattelpalmensaft getrunken?
    Dattelpalmensaft ist in den Dörfern im Westen Bangladeschs eine jahreszeitliche Delikatesse. Er fließt in den Leitungsbahnen der Silber-Dattelpalme ( Phoenix sylvestris ); wenn man den Baum anbohrt, läuft der Saft in einen darunter gestellten Tontopf. Wie der Saft des Ahorns ist er süß, sogar noch süßer als Ahornsaft, so dass man ihn nicht durch stundenlanges Kochen eindicken muss. Manche Menschen sind bereit, harte Takas – das knappe Bargeld – für frischen, unbehandelten Dattelpalmensaft zu bezahlen. Die Sammler verkaufen ihn in den nahe gelegenen Dörfern von Tür zu Tür oder bieten ihn an den Straßen an. Die Kunden bringen in der Regel ein eigenes Glas oder ein anderes Gefäß mit. Sie trinken den Saft entweder an Ort und

Weitere Kostenlose Bücher