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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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menschenfreundlicher als die Verabschiedung eines Gesetzes, das die Ernte von Dattelpalmensaft verbietet. Auf der wissenschaftlichen Seite gibt es, wie Luby mir versichert, im Zusammenhang mit dem Nipah-Virus wichtige unbeantwortete Fragen. Wie bleibt der Erreger in der Flughundpopulation erhalten? Warum und wann springt er über? Wird er leicht oder nur unter ganz besonderen Bedingungen von Mensch zu Mensch übertragen? Ist er erst kürzlich aufgetaucht oder sterben die Menschen in Bangladesch schon seit Jahrtausenden daran, ohne dass es jemand erkannt hätte?
    Aus solchen Fragen ergibt sich eine weitere. Wie haben sich die Veränderungen der Landschaft von Bangladesch und die Bevölkerungsdichte auf die Flughunde, das in ihnen heimische Virus und die Wahrscheinlichkeit eines Übersprungs ausgewirkt? Oder anders gefragt: Was ist neu in der Ökologie von Nipah? Wenn Sie darauf ausführliche Antworten haben wollen, sagt Luby, sollten Sie sich mit Jon Epstein unterhalten.
    73
    Fünf Regeln für die Flughundjagd
    Reden ist gut, aber Zeit im Freiland ist noch besser. Am nächsten Morgen verlasse ich Dhaka zusammen mit Jon Epstein. Wir fahren in westlicher Richtung über den Fluss in die Niederungen im Südwesten des Landes.
    Epstein, ein Spezialist für die Ökologie von Tierkrankheiten, kommt aus New York. In Bangladesch arbeitet er im Auftrag der Organisation Wildlife Trust und ihres Consortium for Conservation Medicine (derselben Organisation, bei der auch Aleksei Chmura tätig war und die kürzlich in Eco-Health Alliance umbenannt wurde). Neben seinem Doktor der Medizin hat Epstein auch einen Master-Abschluss für öffentliches Gesundheitswesen und eine Menge Erfahrung mit asiatischen Fledertieren. Der große, kräftige Mann mit Bürstenhaarschnitt und rautenförmigen Brillengläsern sieht aus wie ein früherer Highschool-Quarterback, der jetzt, mit über vierzig Jahren, zu einem ernsthaften Menschen geworden ist. Es ist nicht das erste Mal, dass er in Bangladesch Daten sammelt, um mehr darüber zu erfahren, wann, wo und wie die Indischen Flughunde das Nipah-Virus in sich tragen und verbreiten.
    Er hat Jim Desmond mitgebracht, einen anderen amerikanischen Tiermediziner, der erst kürzlich von der Organisation angeworben wurde. Epstein soll ihn in die heiklen Besonderheiten der Suche nach dem Nipah-Virus in Flughunden einweihen. Der Vierte in unserer Gruppe ist Arif Islam, auch er ein Tiermediziner und einer der wenigen, die sich in Bangladesch mit Krankheiten von Wildtieren und Zoonosen beschäftigen. Er ist unter uns der Einzige, der fließend Bangla spricht. Arif ist für uns unentbehrlich, denn er kann Flughunden Blut aus der Armarterie entnehmen, mit den örtlichen Beamten verhandeln und für uns im Restaurant Fischcurry bestellen.
    Um neun Uhr morgens haben wir endlich den Verkehr von Dhaka hinter uns, in dem die Busse aneinander vorbeirumpeln wie gesellige Elefanten und sich grüne Motorradtaxis durch die schmalsten Lücken drängen, ohne zerquetscht zu werden. Jetzt liegt die offene Straße vor uns. Erleichtert, der Stadt entkommen zu sein, rollen wir in westlicher Richtung auf den Fluss zu. Hinter uns schimmert die tief stehende Sonne schwach durch den Smog der Stadt, wie ein orangerotes Eidotter.
    Mit der Fähre gelangen wir in den Distrikt Faridpur – es ist Trockenzeit, der Padma River führt nur wenig Wasser. Auf einer zweispurigen Straße geht es zwischen Reisfeldern weiter. In der Stadt Faridpur halten wir an, um weitere Mitfahrer aufzunehmen: Pit und Gofur, zwei Assistenten, die über besondere Fähigkeiten verfügen. Beide sind klein, drahtig und beweglich wie Jockeys, zudem erfahrene Kletterer und Flughundfänger. Sie arbeiten schon seit Jahren immer wieder einmal mit Epstein zusammen. Ihre Fachkenntnisse im Flughundfang haben sie sich in einer früheren Karriere als Wilderer erworben, aber jetzt stehen sie auf der Seite der Guten. Nachdem sie eingestiegen sind, wenden wir uns in südlicher Richtung. Es ist die Zeit für das Versetzen der jungen Reispflanzen, und wir können sehen, wie Männer und Frauen in gebückter Haltung die dunkelgrünen Schößlinge aus ihren Anzuchtflächen nehmen, bündeln, wegtragen und auf unter Wasser stehenden Feldern sorgfältig auspflanzen. Je weiter wir nach Süden kommen, desto seltener werden die trockenen Landflächen. Das Land ist so flach, und das Wasser steht so hoch, dass jede Ortschaft, durch die wir kommen, von Tümpeln und Sümpfen umgeben ist.
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