Spillover
begannen, sich zu erholen. Vielleicht half der Teddybär mehr als die Antibiotika.
Nach zwölf Tagen wurde sie, immer noch schwach und anämisch und immer noch ohne Diagnose, aus dem Krankenhaus entlassen. Im März kam sie zu einer Nachuntersuchung zu Norman Fujita, und der ließ ihr Blutserum noch einmal auf das Marburgvirus testen. Der Befund war wiederum negativ. Drei Monate vergingen. Michelle, deren Haare grau geworden waren, hatte ihre alte Energie nicht wiedergewonnen, litt an Bauchschmerzen und konnte sich nicht konzentrieren. Eines Tages erhielt sie eine E-Mail von einem Freund, der Bescheid wusste – es war ein Journalist, den sie und Rick auf der Reise nach Uganda kennengelernt hatten. Er hatte in den Nachrichten gerade eine Meldung gelesen, über die er Michelle informieren wollte. In den Niederlanden war eine Frau am Marburgvirus gestorben, nachdem sie während eines Uganda-Urlaubs eine Höhle mit Fledertieren besichtigt hatte.
Die nächsten 24 Stunden brachte Barnes damit zu, möglichst viele Artikel über den Fall zu googeln. Sie hatte – Zufall in einer kleinen Welt – in den 1990er Jahren selbst drei Jahre in den Niederlanden gelebt und konnte die Presseberichte nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Niederländisch lesen. Am folgenden Montag stand sie frühmorgens vor der Tür von Dr. Fujita. »Es ist ein Notfall, ich muss mit Ihnen sprechen«, sagte sie. Fujita bat sie herein und hörte sich die neuen Informationen an. Sie hatte den Eindruck, er müsse hinter seiner höflichen Fassade mit den Augen rollen und denken: Na toll, wieder jemand, der sich selbst aus dem Internet eine Diagnose besorgt . Aber er erklärte sich bereit, sie ein drittes Mal auf das Marburgvirus zu testen. Die Blutprobe schickte er wie die vorherigen, die negativ getestet worden waren, an die CDC , aber dieses Mal führt eine Assistentin den Test durch, die wusste, dass die Patientin in einer Höhle mit infizierten Fledertieren gewesen war. Sie überprüfte diese dritte Probe und zur Sicherheit auch noch einmal die erste mit einem empfindlicheren, spezifischeren Verfahren. Bingo .
Als Fujita die neuen Befunde in den Händen hielt, rief er Barnes an und gratulierte ihr linkisch: »Sie sind jetzt Ärztin für Infektionskrankheiten ehrenhalber. Ihre Selbstdiagnose war richtig, und der Test auf Marburg positiv.«
80
Flugverbindung
Auch an den CDC hatten die Nachrichten über den Fall Joosten weit reichende Folgen. Kurz danach, im August 2008, wurde ein weiteres Team nach Uganda geschickt. Dieses Mal gehörte neben Towner und Amman auch der Veterinärmikrobiologe Tom Ksiazek dazu, ein altgedienter Spezialist für die Vor-Ort-Bekämpfung zoonotischer Epidemien. Bob Swanepol und Alan Kemp stießen wieder aus Südafrika dazu. »Wir wurden angerufen und sollten die Ermittlungen aufnehmen«, erzählt mir Amman. Dieses Mal bestand ihr Auftrag darin, Proben von Fledertieren aus der Python Cave zu sammeln, in der die Niederländerin (die in der epidemiologischen Literatur wie üblich namenlos blieb) sich angesteckt hatte. Ihr Tod und die Fallgeschichte bedeuteten eine Veränderung der Situation. Dass die Einheimischen in Uganda am Marburgvirus starben, machte schon genug Sorgen – sie reichten aus, damit in aller Eile ein Krisenteam aus Atlanta und Johannesburg anreiste. Wenn aber jetzt auch Touristen betroffen waren, die in einem von Pythons bewohnten Marburg-Domizil fröhlich mit Trekkingsandalen ein und aus gingen und dann den Rückflug in andere Kontinente antraten, war der fragliche Ort nicht nur eine Gefahr für Bergarbeiter und ihre Angehörigen in Uganda, sondern eine internationale Bedrohung.
Das Team traf in Entebbe zusammen und fuhr dann nach Südwesten. Es nahm denselben Pfad, den auch Joosten, Barnes und ihre Männer benutzt hatten, und gelangte zu demselben Höhleneingang mitten im Wald. Aber im Gegensatz zu den anderen Besuchern legten sie nun ihre Schutzanzüge, Gummistiefel, Atemgeräte und Schutzbrillen an. Wegen der Pythons kam außerdem ein Beinschutz hinzu. Dann gingen sie hinein. Über ihnen überall Fledertiere, unter ihnen überall Exkremente. Wie Amman mir erzählt, regnete es ununterbrochen Exkremente; alles, was man auf dem Boden zurückließ, wäre innerhalb weniger Tage davon bedeckt gewesen. Die Pythons waren träge und scheu, wie es für wohlgenährte Schlangen typisch ist. Eine von ihnen war nach Ammans Schätzung mehr als sechs Meter lang. Die Schwarzweißen Kobras (ja, auch die gab es hier)
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