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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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Medicine arbeitete, hatte 1983 ebenfalls ein Virus gefunden, das als Erreger infrage kam, veröffentlichte ihre Befunde aber erst mehr als ein Jahr später. Wie Levy anmerkte, waren von AIDS im Sommer 1984 »weltweit mehr als 4000 Personen betroffen; allein aus San Francisco wurde über mehr als 600 Fälle berichtet«. 141 Diese Zahlen wirkten zu jener Zeit beunruhigend hoch, heute jedoch, da wir auf 30 Millionen Tote zurückblicken, erscheinen sie rührend niedrig. Levy hatte ebenfalls ein Retrovirus entdeckt. Seine Gruppe hatte es bei 22 AIDS -Patienten nachgewiesen und mehr als ein halbes Dutzend Isolate herangezüchtet. Da es sich um ein AIDS -assoziiertes Retrovirus handelte, gab Levy ihm den Namen ARV. Zu Recht vermutete er, dass sein ARV und Montagniers LAV einfach verschiedene Spielarten des gleichen, sich weiterentwickelnden Virus waren. Sie waren sich ähnlich, aber nicht allzu ähnlich. »In unseren Daten können sich keine Verunreinigungen unserer Kulturen mit LAV widerspiegeln«, schrieb er, »denn wir haben das ursprüngliche französische Isolat nie bekommen.« 142 Das war ein Seitenhieb auf Robert Gallo.
    Die Einzelheiten dieser Geschichte über die nahezu gleichzeitige Dreifachentdeckung und alles, was danach kam, sind hoch kompliziert, fachlich schwierig und stark persönlich gefärbt. Vom Thema der zoonotischen Erkrankungen führen sie weit weg. In unserem Zusammenhang ist vor allem eines wichtig: Ein Virus, das Anfang der 1980er Jahre an drei verschiedenen Orten unter drei verschiedenen Namen entdeckt wurde, ist heute überzeugend als AIDS -Erreger identifiziert. Die Frage des Namens wurde 1986 von einem Gremium angesehener Retrovirusforscher entschieden. Sie beschlossen, den Erreger als HIV (humanes Immunschwäche-Virus) zu bezeichnen.
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    Die Spur der Affen
    Wie es sich gehört, begann die nächste Phase mit einem Tierarzt. Max Essex erforschte Retroviren bei Affen und Katzen.
    Dr. Myron (Max) Essex, promovierter Human- und Veterinärmediziner, ist kein gewöhnlicher Kleintier-Tierarzt. Essex ist Professor am Institut für Krebsbiologie der Harvard School of Public Health. Krebs verursachende Viren stehen im Mittelpunkt seines wissenschaftlichen Interesses, und in diesem Zusammenhang studierte er das Katzen-Leukämievirus ( F e LV ). Nachdem er gesehen hatte, wie F e LV das Immunsystem von Katzen zu Grunde richtet, hatte er, wie Gallo und Montagnier, schon Anfang 1982 den Verdacht, dass die bei Menschen neu aufgetauchte Immunschwäche auf ein Retrovirus zurückgehen könnte.
    Darauf gebracht wurde er durch eine Doktorandin namens Phyllis Kanki. Kanki war Tierärztin wie er, arbeitete aber jetzt an der School of Public Health an ihrer Dissertation. Sie war in Chicago aufgewachsen, hatte als Jugendliche in den Sommerferien im Zoo gearbeitet und dann Biologie und Chemie studiert, um sich später auf Tiermedizin und vergleichende Pathologie zu spezialisieren. Im Sommer 1980, als sie noch mitten in den Forschungsarbeiten für ihre tiermedizinische Doktorarbeit steckte, arbeitete sie am New England Regional Primate Center, das zur Harvard University gehörte, aber in Southborough in Massachusetts angesiedelt war. Dort beobachtete sie etwas Merkwürdiges bei den asiatischen Makaken: Manche dieser Affen fielen einer rätselhaften Immunschwäche zum Opfer. Die Zahl ihrer T-Helfer-Lymphocyten war stark zurückgegangen. Sie starben an Durchfall oder opportunistischen Infektionen, darunter auch Pneumocystis jirovecii . Das Ganze hörte sich stark nach AIDS an. Kanki machte ihren Doktorvater Essex darauf aufmerksam, und gemeinsam mit Kollegen aus Southborough gingen sie nun der Frage nach, woran diese Affen eigentlich starben. Vor dem Hintergrund ihrer Kenntnisse über F e LV und andere Faktoren wollten sie klären, ob es sich um eine Retrovirus-Infektion handelte.
    In Blutproben der Makaken fanden sie tatsächlich ein neues Retrovirus, und sie erkannten auch, dass es mit dem AIDS -Virus verwandt war. Man schrieb das Jahr 1985, und sie bedienten sich der ein wenig irreführenden Benennung von Gallo ( HTLV-III ); wenig später wurde der Name in HIV geändert. Auch ihr Affenvirus erhielt einen neuen Namen und wurde nun aus Gründen der Analogie als »Affen-Immunschwächevirus« ( simian immunodeficiency virus , SIV ) bezeichnet. Die Gruppe veröffentlichte zwei Artikel in Science , der Fachzeitschrift, die jetzt besonders erpicht auf Fortschritte der AIDS -Forschung war. Ihre Entdeckung, so schrieben sie,

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