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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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Primaten haben sich das Virus zwar in Gefangenschaft zugezogen, bei Wildaffen ist es aber bisher weder in Asien noch in Südamerika in Erscheinung getreten.) Bei den meisten SIV -Trägern in Afrika handelt es sich um Tieraffen. Dabei trägt jede Spezies ihren eigenen SIV -Typ; so gibt es das SI V gsn der Weißnasen-Meerkatzen, das SIV ver der Südlichen Grünmeerkatzen, das SI V rcm der Halsband-Mangaben und so weiter. Den bisher vorliegenden Befunden zufolge verursacht keiner dieser SIV s bei seinem natürlichen Wirt eine Immunschwäche. Einer engen entwicklungsgeschichtlichen Verwandtschaft zwischen zwei Affenarten, beispielsweise zwischen der Östlichen Vollbart-Meerkatze und der Sonnenschwanz-Meerkatze, die beide der Gattung Cercopithecus zugeordnet werden, steht manchmal eine starke Ähnlichkeit zwischen ihren jeweiligen SIV s gegenüber. Solche weit reichenden taxonomischen Übereinstimmungen in Verbindung mit dem Fehlen einer erkennbaren Erkrankung veranlassten manche Wissenschaftler zu der Vermutung, dass die afrikanischen Tieraffen ihre SIV -Infektion schon seit sehr langer Zeit in sich tragen – vermutlich seit Millionen von Jahren. Im Laufe eines derart langen Zeitraumes konnten sich die Viren auseinanderentwickeln, und jedes Virus und sein Wirt konnten sich aufeinander einstellen.
    Die gleiche zweiteilige Hypothese wandte man auch auf Schimpansen an: Danach ist ihr Virus SI V cpz erstens eine uralte Infektion, und zweitens richtet es heute keinen Schaden an. Für Schimpansen waren das allerdings nur vorläufige Annahmen. Sie wurden später anhand neuer Befunde und Analysen überprüft, und dabei erwiesen sich beide Teile als falsch.
    An der Annahme, dass SI V cpz schon seit sehr langer Zeit in Schimpansen lauert, kamen 2003 erste Zweifel auf. Damals stellte eine andere Wissenschaftlergruppe (unter Leitung von Paul Sharp und Elizabeth Bailes von der Universität Nottingham sowie wiederum unter Mitwirkung von Beatrice Hahn und Martine Peeters) fest, dass SI V cpz offenbar ein Hybridvirus ist. Zu dieser Schlussfolgerung gelangte das Team in Nottingham, als es das Genom von SIV cpz mit den Genomen verschiedener Tieraffen- SIV s verglich. Wie sich dabei herausstellte, ähnelt ein großer Genomabschnitt des Schimpansenvirus stark einem Abschnitt von SI V rcm . Ein anderer großer Abschnitt hat starke Ähnlichkeit mit einem Teil von SI V gsn . Oder einfach gesagt: Das Schimpansenvirus enthält genetisches Material der Viren von Halsband-Mangaben und Weißnasen-Meerkatzen. Wie konnte es dazu kommen? Die Antwort heißt »Rekombination«, das heißt, genetische Vermischung. Offensichtlich diente ein Schimpanse, der mit beiden Tieraffenviren infiziert war, als »Mischgefäß«, in dem die beiden Viren ihre Gene austauschten. Und wann geschah das? Möglicherweise nicht vor Tausenden oder Zehntausenden von Jahren, sondern erst vor einigen Jahrhunderten.
    Und wie kann sich ein einziger Schimpanse mit zwei Affenviren infizieren? Das geschah vermutlich durch räuberisches Verhalten oder durch eine Kombination aus räuberischem Verhalten (durch das ein Virus in den Schimpansen gelangte) und sexuelle Übertragung (die ein zweites brachte), gefolgt von der zufälligen Neuordnung der Gene während der Virusvermehrung. Schimpansen sind Allesfresser: Hin und wieder finden sie auch Geschmack an Fleisch. Sie töten Tieraffen, reißen sie auseinander und streiten sich um die Stücke oder teilen die Beute untereinander. Dann fressen sie das rohe, rote Fleisch. Es geschieht nicht oft, sondern nur wenn Gelegenheit und Bedürfnis zusammentreffen. Im Rahmen solcher Festgelage kann es natürlich auch zu Blutkontakt kommen. Obwohl Schimpansen keine Macheten verwenden, ziehen sie sich manchmal Verletzungen an den Händen und im Mund zu. Blutiges Fleisch und eine offene Wunde sind gleichbedeutend mit Viruskontakt. Der Vorschlag der Arbeitsgruppe in Nottingham lief also auf eine weitere Version der Hypothese vom verletzten Jäger hinaus – nur mit dem Unterschied, dass der Jäger in diesem Fall ein Schimpanse war.
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    Labor- trifft Feldforschung
    SI V cpz als solches existiert also erst seit relativ kurzer Zeit. Eine uralte Verbindung zu den Schimpansen hat der Erreger nicht. Und nach einer 2009 veröffentlichten Studie ist jetzt auch der zweite Teil der Hypothese zweifelhaft. Das Virus ist bei Schimpansen durchaus nicht harmlos. Befunde aus der Schimpansenkolonie von Gombe – der Population, die von Jane Goodall studiert wurde und auf

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