Spillover
der ganzen Welt bekannt ist – lassen darauf schließen, dass SI V cpz Affen- AIDS verursacht.
Wie ich bereits erwähnt habe, stammte aus Gombe auch der erste wilde Schimpanse, der im SIV -Test positiv war. Eines aber habe ich noch nicht gesagt: Der Befund » SIV -positiv« steht bei den Schimpansen von Gombe in einem engen Zusammenhang mit Gesundheitsproblemen und einem frühzeitigen Tod. Auch diese Entdeckung machten Beatrice Hahn und ihre Arbeitsgruppe.
Nachdem Hahn bei gefangenen Schimpansen auf SI V cpz gestoßen war, wollte sie auch in freier Wildbahn nach dem Erreger suchen. Aber sie und ihr Team aus jungen Molekularbiologen hatten keine Ahnung, wie man in einem Wald in Afrika bei Schimpansen Blutproben nimmt. Geht man hinaus und verpasst einem Affen einen Betäubungspfeil? Setzt man ihn mit Ketamin außer Gefecht, entnimmt Blut, weckt ihn auf und schickt ihn seiner Wege? »Um Himmels willen, nein!«, sagten die Primaten-Feldforscher. Bei gut untersuchten, an Menschen gewöhnten Schimpansenpopulationen geht man ganz anders vor. Sie waren entsetzt von der Vorstellung, ihre sensiblen, vertrauensvollen Schützlinge könnten mit derart invasiven Methoden verletzt werden. Für Hahn war es ein ganz neuer Arbeitsbereich mit neuen Vorkehrungen und Methoden, aber sie stellte sich schnell darauf ein. Auf einer wissenschaftlichen Tagung, die sowohl von Primatenforschern als auch von Virologen besucht wurde, lernte sie Richard Wrangham von der Harvard University kennen, der sich mit seinen Arbeiten zur Verhaltensökologie und Evolution von Menschenaffen hohes Ansehen erworben hatte. Wrangham leitete viele Jahre die Schimpansenforschung im Kibale-Nationalpark im Westen Ugandas; promoviert hatte er mit Feldstudien in Gombe. Von Hahns Idee, eine Reihenuntersuchung bei wilden Schimpansen durchzuführen, war er begeistert; letztlich, so erinnert sie sich, war es Wrangham, »der Jane überzeugte, dass man mit uns durchaus arbeiten kann«. Bevor aber die Arbeiten in Gombe begannen, studierten sie Wranghams Studienpopulation, die Schimpansen von Kibale. Wichtige Unterstützung erhielten sie dabei von Martin Muller, einem Doktoranden von Wrangham, der 1998 Urinproben gesammelt und damit eine Studie zu Testosteronspiegel, Aggression und Stress angestellt hatte. Mario Santiago aus Hahns Arbeitsgruppe entwickelte die notwendigen Hilfsmittel zum Nachweis von SI V cpz -Antikörpern in wenigen Millilitern Urin, und Martin Muller stellte einige tiefgefrorene Proben aus seiner Sammlung in Kibale zur Verfügung. Um mich genauer über diesen Teil der Geschichte zu informieren, bin ich nach Albuquerque gefahren, um mich mit Muller zu unterhalten, der heute als außerordentlicher Professor für Anthropologie an der University of New Mexico tätig ist.
Die Proben aus Kibale waren ausnahmslos SIV -negativ. »Darüber waren wir ein wenig enttäuscht«, erinnert sich Muller. »Damals besagte nämlich die Lehrbuchweisheit, dass das Virus keinerlei negative Auswirkungen auf die Schimpansen hat.« Mittlerweile hatte allerdings seine Hormonstudie interessante Befunde erbracht, und nun wollte er seine Daten erweitern. Er kam mit Wrangham überein, dass es aufschlussreich sein könnte, zum Vergleich Proben einiger anderer Schimpansenpopulationen zu untersuchen. Dieses Vorhaben führte Muller im August 2000 nach Gombe. Bei sich hatte er seine Urinflaschen und die ganze sperrige Ausrüstung, die man braucht, um tiefgefrorene Proben aufzubewahren. Er blieb nur wenige Wochen und brachte tansanischen Assistenten bei, wie man Proben sammelt, so dass sie die Arbeit fortsetzen konnten; er selbst nahm nur wenig Material mit. In die Vereinigten Staaten zurückgekehrt, fragte er Hahn in einer E-Mail, ob sie gern sechs Röhrchen mit gefrorenem Urin aus Gombe hätte. Worauf sie erwiderte: » JA, JA, JA !« Wie es dem üblichen Verfahren entspricht, schickte er die Proben mit codierter Beschriftung, so dass Hahn nicht wissen konnte, welches Röhrchen zu welchem Affen gehörte. Zwei der sechs Proben erwiesen sich im Test auf SIV -Antikörper als positiv. Muller löste den Code auf und teilte ihr mit, dass beide Proben von Gimble stammten, einem 23 Jahre alten Schimpansenmännchen.
Gimble war ein wohlbekanntes Mitglied einer der berühmten Familien von Gombe; seine Mutter Melissa war eine erfolgreiche Matriarchin gewesen, und einer seiner Brüder war Goblin, der zum Alphamännchen der Gemeinschaft aufgestiegen und vierzig Jahre alt geworden war. Gimbles Leben
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